An Lauren im Kloster

[235] 1773.


O du, die, mir entrissen

Durch Wahn und Grausamkeit,

In öden Finsternissen

Sich nun dem Tode weiht!

Hier an der Klosterschwelle

Bewein' ich, Laura, dich,

Und irr' um deine Zelle,

Und niemand höret mich.


O wenn noch zu mir Armen

Sich Engel Gottes nahn;

So zeiget aus Erbarmen

Ihr meinen Jammer an!

Daß ihrer Andacht Feuer

Mir Linderung erfleh',

Und meine Seele freier

Durchs Thal der Leiden geh'!


Von schwärzrer Nacht umgeben,

Als diese Mitternacht,

Durchirr' ich dieses Leben,

Das du einst hell gemacht.

Im Hain, wo liebetrunken

Dein Mund mir Küsse gab,

Wank' ich, in Harm versunken,

Und suche stumm mein Grab.[235]


Wenn in des Chores Halle

Mich oft Verzweiflung führt,

Und durch die Stimmen alle

Mich deine Stimme rührt;

Dann deucht mir's, daß vom Himmel,

Wo Freude dich umwallt,

Dein Lied mir ins Getümmel

Verworfner Geister hallt.


Oft träum' ich, wie der Riegel

Der Zelle schnell zerspringt,

Und auf der Liebe Flügel

Dich mir ein Engel bringt.

Dein Bildnis wallt hernieder;

Doch ich umarm' es kaum,

So wach' und wein' ich wieder,

Und fluche meinem Traum.


O Leben ohne Lauren,

Im Grimm mir zugedacht!

Wie lange wirst du dauren,

Du bange Fiebernacht!

Erweich ihn du, o Reine,

Den Richter, daß einmal

Durch Lieb' er uns vereine,

Die er uns selbst befahl!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50, Stuttgart [o.J.], S. 235-236.
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