|
[317] (10. August 1788.)
Da sehn wir's wieder hell und klar,
Da Gott uns nie vergißt,
Und jede Zeit und Stund' im Jahr
Der beste Vater ist.
Da gießt nach langem Sonnenbrand,
Sein Regen sich aufs dürre Land.
Du lieber Gott, wie traurig sah's
Bei uns auf Wies' und Feld!
Verdorrt war Korn und Laub und Gras,
Und von der Hitz entstellt;
Matt schlich das Vieh zur Weid' hinaus,
Und kehrte hungriger nach Haus.
Die welken Ähren neigten sich
Und gelblich ward ihr Grün;
Der zarte Flachs schwand sichtbarlich
Vor unsern Augen hin;
Die Trespe nur und Distel stand,
Und wuchert' im erhitzten Land.
Da stunden wir, vom Schweiß benäßt,
Der von der Stirn uns rann,
Das Herz, von Sorgen eingepreßt,
Und sahn den Jammer an,
Und seufzten: Ach, du lieber Gott,
Wer giebt uns auf den Winter Brot?
Da schmolz – hab ewig Dank dafür! –
Dein milder Vatersinn;
Da sahn am fernen Himmel wir
Gewölk, wie Schäfchen, ziehn,
Und immer kam's in raschrem Lauf
Und schwärzlicher zu uns herauf.[318]
Da sank, in Dunkel eingehüllt,
Die Sonn' am Wald hinab,
Und Regen rauschte kühl und mild
Aufs dürre Feld herab;
Nun freuet alles dankbarlich
Des neugeschenkten Lebens sich.
Wie frisch erhebt der Halm sein Haupt,
Wie prangt der Flachs so blau!
Wie steht der Baum so neubelaubt,
Und glänzendgrün die Au'!
Und welch ein übersüßer Duft
Füllt rings umher die kühle Luft.
Das alles hast du, guter Gott,
In kurzer Zeit gethan.
Wo ist sie nun, die Hungersnot,
Der wir entgegen sahn?
Drum laß uns immer dir vertraun,
Und nie so ängstlich vorwärts schaun!
Buchempfehlung
Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica
746 Seiten, 24.80 Euro