Über die Freundschaft.

[121] Nachdem ich das Benehmen eines Malers, den ich im Hause habe, betrachtete, ist mir die Lust angekommen, in seine Fußtapfen zu treten. Er wählt den schönsten Platz auf der Mitte jeder Wand, worauf er ein Gemälde zeichnet und mit aller seiner Kunst ausführt, und den leeren Raum ringsherum füllt er aus mit Grotesken, deren einziger Wert in der Mannigfaltigkeit und Laune besteht. Was enthält dies Buch hier, beim Lichte besehen, anderes als Grotesken und phantastische Körper, die aus verschiedenen Gliedern zusammengestoppelt sind, die keine bestimmte Gestalt haben, in keine Ordnung gehören, außer der Natur, außer allem Verhältnis sind, es müßte denn ein bloß zufälliges sein?


Desinit in piscem mulier formosa superne.1


Ich gehe nun zwar wohl mit meinem Maler bis zu diesem zweiten Punkt; bei dem ersten und besten aber da hapert's! Denn so weit reicht meine Kunst nicht, daß ich mich unterstehen könnte, mich an ein reiches, schönes, nach den Regeln der Kunst geordnetes Gemälde zu wagen. Ich bin darauf verfallen, eins von Etienne de la Boétie zu borgen, welches all meinem übrigen Gepinsel Ehre machen soll. Es ist eine Abhandlung, der er den Namen gab: Freiwillige Knechtschaft. Diejenigen aber, die nichts davon wußten, haben sie nachdem weit schicklicher Wider einen getauft. Er schrieb sie als eine Übungsarbeit in seiner frühen Jugend, zu Ehren der Freiheit, wider die Despoten. Sie ist unter sachkundigen[122] Männern von Hand zu Hand gegangen und hat viel Lob und Beifall erhalten, denn sie ist artig geschrieben und sehr reichen Inhalts. Dennoch läßt sich wohl dabei sagen, daß es nicht das beste sei, was er hätte schreiben können. Und hätte er in einem reifern Alter, da ich ihn kannte, einen solchen Vorsatz gefaßt, wie der meinige ist, seine Einfälle zu Papier zu bringen, so würden wir manche vortreffliche Sachen, welche dem Ruhm des Altertums sehr nahekommen dürften, von ihm erhalten haben; denn ich wüßte niemand, den ich ihm, vorzüglich was Naturgaben betrifft, an die Seite stellen könnte. Er hat aber nichts weiter hinterlassen als diese Abhandlung, und diese auch nur durch Zufall; dennoch glaube ich nicht, daß er sie wieder vor die Augen bekommen hat, nachdem er sie einmal hatte entwischen lassen; und noch ein paar Aufsätze über das Jänneredikt, das so berufen durch die innern Kriege ist, welche vielleicht auch noch anderwärts ihren Platz bekommen. Das ist es alles, was ich von seinem Nachlaß habe sammeln können (ob er meiner gleich noch, da ihm der Tod schon an der Kehle saß, so höchst freundschaftlich gedachte und mir in seinem Testament seine Bücher und seine Papiere vermachte) außer dem einen Bande von seinen Werken, den ich herausgegeben habe. Und habe ich diesem Stücke außerordentlich viel zu verdanken, weil es die Veranlassung zu unserer Bekanntschaft gab. Denn es ward mir lange vorher mitgeteilt, ehe ich ihn persönlich kannte, und erfuhr ich zuerst dadurch seinen Namen; solchergestalt beförderte es diejenige Freundschaft, welche wir, solange es Gott gefiel, miteinander gepflogen haben und welche so innig, so vollkommen war, daß man gewiß von viel dergleichen nicht lesen wird; und unter den Menschen heutigen Tages findet sich davon gar keine Spur mehr. Um eine solche Freundschaft zu stiften, werden so viele Zufälligkeiten erfordert, daß es schon viel ist, wenn das Glück solche nur alle dreihundert Jahre einmal zusammentreffen läßt.

Es scheint, die Natur habe uns zu nichts eigentlicher und näher bestimmt als zur Geselligkeit. Und Aristoteles[123] sagt, die besten Gesetzgeber haben mehr Sorge für die Freundschaft als für die Gerechtigkeit getragen. Nun aber macht diese den höchsten Grad ihrer Vollkommenheit aus. Denn überhaupt sind alle die Freundschaften, welche aus Wollust, aus Eigennutz und Not, öffentliche oder häusliche, errichtet werden, um so weniger schön und herzlich und daher um so minder Freundschaft, als sich andere Ursachen, andere Zwecke und anderer Genuß hineinmischen als die Freundschaft selbst. Ebensowenig machen die vier Arten des Altertums, getrennt und jede für sich oder zusammengenommen, den eigentlichen wahren Charakter der Freundschaft aus, als da sind: Verbindungen des Naturverhältnisses, der Geselligkeit, des Gastrechts oder der physischen Liebe. Vom Vater zum Kinde ist es vielmehr Ehrerbietung.

Die Freundschaft nimmt ihre eigentliche Nahrung von der vertraulichen Mitteilung, welche unter Eltern und Kindern, wegen des zu großen Abstandes der Jahre, nicht stattfinden kann und wohl gar die Pflichten der Natur beleidigen könnte; denn teils lassen sich alle geheimen Gedanken des Vaters dem Kinde nicht mitteilen, weil das eine unschickliche Gleichheit nach sich ziehen würde, teils können die Belehrungen und Warnungen, welche unter die vornehmsten Pflichten der Freundschaft gehören, vom Kinde zum Vater nicht stattfinden. Es sind Völkerschaften bekannt geworden, wo die Kinder, nach eingeführter Gewohnheit, ihre Väter töteten; und andere, wo die Väter ihre Kinder umbrachten, um der Beschwerde auszuweichen, sie zuweilen mit sich zu schleppen, und natürlicherweise hängt die Unterhaltung der einen ab von dem Verderben der andern. Es hat Philosophen gegeben, welche dies Band der Natur verachtet haben; zum Beispiel Aristipp, welcher, als man ihm die Neigung zu Gemüt führte, die er seinen Kindern schuldig wäre, weil sie von ihm ihren Ursprung hätten, von seinem Speichel auswarf und dabei sagte: der hätte auch seinen Ursprung von ihm!, erzeugte der Mensch doch auch Ungeziefer und Würmer.[124]

Und jener andere, den Plutarch bereden wollte, sich mit seinem Bruder zu versöhnen, sagte: »Ich mache mir deswegen nicht mehr aus ihm, weil ich mit ihm aus einer Höhle abstamme.« Allerdings ist der Name Bruder schön und voller Süßigkeit, deswegen ich auch unser Bündnis darauf gründete; allein das ineinander verwickelte Interesse, die Teilung der Erbschaften und der Umstand, daß der Reichtum des älteren Bruders die Armut der jüngeren verursacht, macht sehr große Erkältungen und erschlafft die Banden der Bruderliebe; die Brüder, welche ihr Fortkommen in der Welt auf einerlei Wegen und mit einerlei Mitteln bewirken sollen, die können nicht umhin, sie müssen sich zuweilen stoßen und einander ins Zeug geraten. Noch mehr! Warum findet man die trauliche Eintracht und die gegenseitige Mitteilung, welche wahre und vollkommene Freundschaften erzeugen, bei dieser hier nicht? Der Vater und der Sohn können ganz entgegengesetzter Gemütsart sein; ebenso Brüder. Es ist mein Sohn, es ist mein Verwandter; aber es ist ein störrischer Mensch, ein Bösewicht, oder ein Narr. Dazu kommt dann noch, daß dies Freundschaften sind, wozu uns die Gesetze und Pflichten der Natur verbinden, wobei keine Wahl stattfindet und dabei der freie Wille nicht mitwirken kann wie bei der bloßen Herzensfreundschaft. Ich kann wohl sagen, daß ich Familienfreundschaft im höchstmöglichen Maße empfunden und genossen habe, denn mein Vater war bis in sein graues Alter der beste und gütigste, den jemals die Welt gesehen hat, und dabei bin ich von einer Familie, die von seiten der brüderlichen Liebe und Eintracht, von Vater auf Sohn, als musterhaft berühmt ist.


Et ipse

Notos in fratres animi paterni.2


Wenn man damit die Neigung zum weiblichen Geschlecht vergleicht, so wird man finden, daß, ob solche gleich aus[125] unserer Wahl entspringt, man sie doch nicht in dies Verzeichnis bringen könne. Ihr Feuer, das bekenne ich,


Neque enim est Dea nescia nostri

quae dulcem curis miscet amaritiem3


ist heftiger, durchdringender und angreifender. Aber, ein unbesonnenes, wildes Feuer, flatterhaft und ungleich; eine Fieberhitze, die bald steigt, bald fällt und die uns nur bei einem Zipfel hält. In der Freundschaft ist es überall verbreitete Wärme, im übrigen gemäßigt und immer sich gleich; eine Wärme, die anhält und nicht verfliegt; durchgängig lieblich und sanft schmelzend, die nichts Brennendes oder Stechendes bei sich führt. Was noch mehr ist, in der Liebe ist es nur ein ungestümes Begehren nach dem, was uns flieht.


Come segue la lepre il cacciatore

Al freddo, al caldo, alla montagna, al lito,

Nè più l'estima poi che presa vede;

E sol dietro a chi fugge affretta il piede.4


Sobald sie sich in Freundschaft umwandelt, das heißt nach Gutbefinden des Willens beider, verraucht sie, erkrankt; Genuß, weil er nur am Körperlichen hängt und Sättigung hervorbringt, vernichtet sie. Die Freundschaft hingegen gibt in eben dem Maße Genuß, als sie begehrt. Sie sproßt, nährt sich und wächst bloß durch den Genuß, weil sie geistig ist und die Seelen durchs Annahen sich immer mehr einigen. Unter dieser vollkommenen Freundschaft haben jene flüchtigen Neigungen ehedem auch bei mir Platz gefunden; damit ich nichts von meinem Freunde sage – er hat es nur zu deutlich durch seine Gedichte bekannt. Also sind diese Leidenschaften beide mir nicht unbekannt[126] geblieben; nie aber tat es eine der andern gleich. Die erste nimmt immer einen sehr hohen, stolzen Flug und sieht mit Verachtung auf die andere herab, die mit ihren Kräften tief unter ihr flattert.

Anlangend die eheliche Verbindung, außerdem, daß es damit weiter nichts ist als ein Handelskontrakt, der nur beim Eingehen frei ist, dessen Dauer aber unfreiwillig und gezwungen, weil sein Widerruf von andern Rücksichten als unserm Wollen abhängt, und ein Handelskontrakt, der gemeiniglich aus verheimlichten Absichten geschlossen wird: so kommen darin tausenderlei Knäuel für beide abzuwickeln vor, die so ineinandergewirrt sind, daß der Faden und der Lauf einer lebhaften Zuneigung dadurch leicht zerrissen wird. Wohingegen in der Freundschaft kein anderer Handel oder Geschäft stattfindet als über die Freundschaft selbst. Hierzu kommt dann noch, daß, die Wahrheit zu sagen, das schöne Geschlecht gewöhnlicherweise nicht hinlänglichen Stoff zur Unterhaltung besitzt, um dem Bedürfnis der Ideenmitteilung im täglichen Umgang, der Stärkung dieses heiligen Bandes, zu entsprechen; dabei scheinen ihre Seelen nicht fest genug zu sein, um den Druck eines so scharf geschürzten und dauerhaften Knotens auszuhalten. Und wahrlich, wenn ohne diese Unbequemlichkeiten ein solches freies ungezwungenes Bündnis geschlossen werden könnte, in welchem die Seelen nicht nur diesen völligen Genuß hätten, sondern wo auch die Körper ihren Teil an der Vereinigung nähmen und wo also der ganze Mensch in Wirksamkeit wäre – so ist gewiß, daß die Freundschaft dadurch an Fülle und Vollkommenheit gewinnen müßte. Aber die schöne Hälfte der Schöpfung ist noch durch kein Beispiel bis dahin gelangt und ist von den Schulen des Altertums davon ausgeschlossen. Und jene unnatürlichen Liebschaften bei den Griechen sind uns nach unseren Sitten mit Recht ein Greuel; welche bei alledem auch nach ihrem Gebrauch notwendig einen so großen Unterschied an Jahren und an Obliegenheiten unter den Liebenden erheischten, daß sie auch nicht der vollkommenen Einigkeit und Übereinstimmung[127] der Seelen fähig sind, welche wir hier verlangen. Quis est enim iste amor amicitiae? Cur neque deformem adolescentem quisquam amat, neque formosum senem?5 Denn das Gemälde, welches die Akademie des Altertums davon macht, widerspricht mir nach meiner Meinung nicht in dem, was ich ihr nachspreche: daß diese erste Begierde nämlich, welche der Sohn der Venus dem Herzen des Liebhabers nach der Blume der zarten Jugend des geliebten Gegenstandes einflößte, welcher sie alle die ungezähmten und leidenschaftlichen Anfälle einräumt, die eine zügellose Begierde erregen kann, sich bloß auf eine äußere Schönheit gründete, auf das falsche Bild der körperlichen Fortpflanzung. Denn auf den Geist konnte sie sich nicht gründen, dessen Anschein selbst noch verborgen war; der erst noch im Keime lag und noch nicht gekeimt hatte: daß, wenn sich diese Gier eines schlechten Menschen bemeisterte, seine Mittel zu siegen, Reichtümer waren und Geschenke, Fürsprache zu dem Behuf, Ehrenämter zu erlangen und andere dergleichen niedrige Waren, welche die Akademiker tadeln. Befiel solche einen Mann von edleren Gesinnungen, so waren auch die Anlockungsmittel von edlerer Art. Bald waren es Unterricht in der Philosophie, bald Anweisung in der Verehrung der Religion, im Gehorsam gegen die Gesetze, für das Vaterland zu sterben, Beispiele der Tapferkeit, der Klugheit, der Gerechtigkeit. Im Bestreben des Liebhabers, sich durch Anmut und Schönheit seines Geistes angenehm zu machen, weil sein Körper bereits erbleicht war, und in der Hoffnung, daß diese geistige Verbindung ein festeres und dauerhafteres Bündnis befestigen würde. Wann diese Absicht zur rechten Zeit erreicht ward (denn das, was sie beim Liebenden nicht forderten, daß er nämlich in seiner Unternehmung nichts übereile und Klugheit anwende, das verlangten sie unumgänglich von dem Geliebten, um so mehr, da er über eine innerliche Schönheit urteilen[128] mußte, welches keine leichte Kenntnis ist und eine abstrakte Entdeckung erfordert), so erzeugte sich in dem Geliebten ein Verlangen nach einer geistigen Empfängnis vermittelst einer geistigen Schönheit. Diese letzte war hierbei das vornehmste. Die körperliche war nur zufällig und stand der ersten nach. Ganz umgekehrt verhielt es sich mit dem Liebenden. Aus dieser Ursach ziehen sie den Geliebten vor und beweisen, daß auch die Götter ihn vorziehen, und tadeln den Dichter Aeschylus gar weidlich, daß er in der Liebe zwischen Achilles und Patroklus dem Achilles die Rolle des Liebenden gegeben, der in der ersten bartlosen Blute seiner Jünglingsjahre und der Schönste unter den Griechen war. Nächst dieser allgemeinen Übereinkunft, wobei der Geliebte und würdigste Teil seine Obliegenheit übte und der herrschende war, sagten sie auch, daß daraus viel nützliche Früchte fürs häusliche und fürs gemeine Wesen erwüchsen. Es sei die Kraft des Staates, dieser habe den besten Nutzen davon. Es sei der beste Schild der Billigkeit und Freiheit, wie die heilsame Liebschaft zwischen Harmodius und Aristogiton bezeugen soll. Gleichwohl nennen sie solche heilig und göttlich und stehe ihr nichts im Wege nach ihrer Meinung, weder die Gewalt der Tyrannen noch die Feigheit des Volkes. Kurz, alles was man der akademischen Schule zugunsten einräumen kann, ist, wenn man sagt: Es war eine Liebe, die sich in Freundschaft auflöste. Wie sich denn das nicht übel mit der stoischen Definition von der Liebe verträgt:

Amorem conatum esse amicitiae faciendae ex pulchritudinis specie.6

Ich komme wieder auf meine Beschreibung, welche billiger und passender ist:

Omnino amicitiae, corroboratis jam confirmatisque et ingeniis et aetatibus, judicandae sunt.7[129]

Im übrigen ist das, was wir gewöhnlich Freundschaft nennen, wo Leute sich einander sehen, die Geschäfte miteinander haben und wodurch unsere Seelen sich miteinander unterhalten, eigentlich nur Bekanntschaft. In derjenigen Freundschaft, wovon ich rede, vermischen und schmelzen sie sich solchergestalt ineinander, daß ein so durchaus Zusammengesetztes daraus wird, daß auch die Spur der Naht davon verschwindet, welche sie aneinander geheftet hat.

Wenn man in mich dringt, ich soll sagen, warum ich meinen Freund Boëtius liebte, so fühle ich wohl, daß sich das nicht anders ausdrücken läßt, als wenn ich antworte: »Weil's er war, weil ich's war.« Es ist dabei etwas, das über meinen Verstand geht; und alles, was ich besonders davon sagen kann, ist, diese Vereinigung ward durch eine unbegreifliche, unwiderstehliche Macht vermittelt. Wir suchten uns, bevor wir uns noch gesehen hatten, und zwar durch Ähnlichkeiten in der Gemütsstimmung, die wir voneinander hörten und welche auf unsre Neigung stärker wirkten, als nach ihrem berechneten Verhältnis zu er warten gestanden hätte; ich glaube, es geschah auf Verordnung des Himmels. Wir umarmten uns durch unsere Namen; und bei unserer ersten Begegnung, die bei einem großen Feste und einer feierlichen Stadtgesellschaft geschah, fanden wir uns so aneinandergezogen, so bekannt miteinander, so verbunden, daß von der Stunde an uns nichts so nahe war als wir uns einer dem andern. Er schrieb eine vortreffliche lateinische Satire, welche gedruckt worden, worin er die Schnelligkeit unsers Einverständnisses, welches so stracks fort zu seiner Vollkommenheit gedieh, entschuldigt und erklärt. Da es nur so kurz von Dauer sein sollte und so spät begonnen hatte (denn wir waren beide schon Männer an Alter und er schon einige Jahre weiter), so hatte es keine Zeit zu verlieren und durfte sich nicht nach dem Muster der schlaffen und regelgerechten Freundschaften richten, wobei so viele Behutsamkeit und so lange vorausgehende Bekanntschaft erfordert wird. Diese hier hat keine andere[130] Idee als von sich selbst und kann sich auf nichts anderes beziehen als auf sich selbst. Es ist nicht eine besonders beabsichtigte Sache dabei, nicht zwei, nicht drei, nicht vier, nicht tausend; es ist, ich weiß nicht was für eine Quintessenz aus all diesem Gemische, welche sich meines ganzen Willens bemächtigt hatte und ihn dahin trieb, sich ganz in den seinigen zu stürzen und sich darin zu verlieren, und der, nachdem er sich völlig des seinigen bemächtigt, denselben gleichfalls antrieb, sich in den meinigen zu stürzen und zu verlieren, von einerlei Hunger getrieben mit ähnlichem Eifer. Ich sage mit Fleiß ineinander verlieren, denn sie behielt sich nicht das geringste als Eigentum vor oder etwas, das sein oder mein gewesen wäre.

Als Lälius in Gegenwart der römischen Konsuln, welche, nachdem Tiberius Gracchus verurteilt worden, alle diejenigen, die mit ihm im Einverständnis gestanden, zur Untersuchung brachten, nun den Cajus Blosius, den wichtigsten Freund des Gracchus, im Verhöre fragte: »Wieviel er hätte für ihn tun wollen« und dann dieser antwortete: »Alles!«, so fuhr er fort: »Was, alles? Wie nun aber wenn er dir befohlen hätte, unsere Tempel anzuzünden?« – »Das hätte er mir gewiß nicht befohlen«, versetzte Blosius. – »Wenn er's nun aber getan hätte?« setzte Lälius hinzu. – »So hätte ich gehorcht!« antwortete er. War er des Gracchus so inniger Freund als die Geschichte sagt, so war es überflüssig, die Konsuln durch dies letzte kühne Geständnis aufzubringen; und durfte er nur auf der Zuversicht beharren, die er von dem Willen des Gracchus bezeugt hatte. Indessen verstehen diejenigen, welche diese Antwort für aufrührerisch erklären, das wahre Geheimnis doch nicht, und sehen über den Punkt weg, daß er den Willen seines Freundes in Händen hatte, indem er ihn kannte und ihn lenken konnte.

Sie waren mehr Freunde als Staatsbürger; mehr Freunde als Patrioten oder Rebellen oder als ehrgeizige Aufrührer. Sie hatten sich einer dem andern so völlig übergeben, daß jeder völlig den Zaum der Neigungen des andern in[131] Händen hatte. Nun lasse man das Leitseil von der Tugend und der Vernunft regieren, wie es dann auch ohnedem völlig unmöglich wäre, den Zug anzuspannen, so ist die Antwort des Blosius so, wie sie sein mußte. Waren ihre Handlungen und Unternehmungen nicht Kinder ihres genauesten Einverständnisses, so waren sie, nach meinem Maßstabe, weder Freunde einer des andern noch Freunde ihrer selbst. Übrigens führt diese Antwort nichts weiter mit sich, als wenn sich jemand mit folgender Frage an mich wendete: »Wenn Ihr Wille Ihnen geböte, Ihre Tochter zu töten, würden Sie es tun?« und ich es bejahete. Denn das enthält noch kein Zeugnis, daß ich in die Tat willige, weil ich über meinen Willen gar keinen Zweifel hege, und ebensowenig über den Willen eines solchen Freundes. Es steht nicht in der Macht aller Beredungskünste von der ganzen Welt, mich aus meiner Gewißheit zu bringen, die ich von dem Willen und dem Verstand des meinigen habe. Man sollte mir keine einzige von seinen Handlungen vorlegen, was für eine Gestalt sie auch habe; davon ich nicht augenblicklich die Triebfeder auffinden wollte. Unsere Seelen sind so einstimmig miteinander am Joch gegangen, haben sich mit so warmer Zuneigung betrachtet, sich einander diese gegenseitige gleiche Zuneigung bis auf den tiefsten Grund ihres Innern schauen lassen – so daß ich nicht nur die seinige kenne wie meine eigene, sondern ich hätte mich, in Ansehung meiner, gewiß lieber ihm vertraut als mir selbst.

Komme man mir ja nicht und setze in diesen Rang jene andern Alltagsfreundschaften; ich habe davon ebensoviel Kenntnis wie ein anderer und das von den vollkommensten in ihrer Art; allein ich rate nicht, ihre Regeln miteinander zu verwechseln; man würde sich mächtig irren. Bei diesen andern Freundschaften muß man ja sehr bedächtig und vorsichtig verfahren und nie den Zügel aus der Hand lassen, die andere Verbindung ist so sicher geknüpft, daß es keines Mißtrauens bedarf. Liebe deinen Freund, sagte Chilon, als ob du ihn eines Tages hassen müßtest, und hasse deinen Feind so, als ob du ihn einst lieben müßtest.[132] Dieser Rat, der in dieser hohen und erhabenen Freundschaft so scheußlich ist, hat gleichwohl bei gewöhnlichen und Alltagsverbindungen seinen heilsamen Nutzen; indessen ist's doch besser, wenn man statt dieses Rates Chilons, Aristoteles' gewöhnliches Sprichwort einführt: »O meine Freunde, man findet keinen Freund mehr.« In dieser noblen Freundschaft verdienen die Dienste und Wohltaten, welche die anderen Freundschaften stärken und nähren, kaum daß man ihrer erwähne und daran ist die äußerste Verwechslung unseres Willens schuld, denn eben wie die Freundschaft, die ich zu mir selbst trage, durch die Hilfe, die ich mir im Notfall suche, nicht verstärkt wird, was auch die Stoiker darüber sagen mögen; und wie ich mir selbst keinen Dank für den Dienst weiß, den ich mir leiste, ebenso vernichtet die Vereinigung solcher Freunde, wenn sie ungeheuchelt wahr ist, das Andenken und selbst das Gefühl solcher Pflichten und haßt und verbannt sie; und mit ihnen die Worte, welche Frost und Entfernung veranlassen als Wohltaten, Verbindlichkeit, Erkenntlichkeit, Bitte, Dank und dergleichen mehr. Da alles unter ihnen gemeinschaftlich ist, Wille, Denkart, Urteil über vorkommende Dinge, Güter, Weiber, Kinder, Ehre und Leben, und ihre äußere Sorgfalt nur zwei Gegenstände hat, eine Seele nämlich und zwei Körper, wie Aristoteles es sehr richtig definiert hat, so können sie sich einander weder etwas leihen noch geben.

Hierauf gründet es sich, warum die Gesetzfabrikanten, um die Ehe mit einiger eingebildeten Ähnlichkeit mit dieser göttlichen Einigkeit zu beehren, die Schenkungen zwischen Ehemann und Ehefrau verboten haben. Sie wollten dadurch zu verstehen geben, daß unter ihnen alles gemeinschaftlich sein sollte und daß unter ihnen nichts Geteiltes oder zu Verteilendes statt finde. Wenn in der Freundschaftsverbindung, von der ich hier rede, der eine dem andern etwas zu schenken hätte, so wäre es derjenige, welcher die Wohltat erhält, welcher seinen Genossen verbindlich machte. Denn einer würde den andern vor allen Dingen sich verbindlich zu machen suchen durch[133] Wohltun; sowohl der, welcher die Materie und die Gelegenheit gibt, als der, welcher der Freigebige ist, indem er seinen Freund das Vergnügen macht, was er seinerseits am meisten wünscht.

Wann der Philosoph Diogenes Mangel hatte an Geld, so sagte er, daß er's von seinen Freunden wieder begehrte, nicht daß er solche darum bäte. Und um zu zeigen, wie das der Tat nach geschah, will ich ein sehr sonderbares Beispiel aus dem Altertum anführen. Der Korinther Eudamidas hatte zwei Freunde, einen Charixenus aus Sycion und einen andern namens Aretheus aus Korinth. Bei der Annäherung seines Todes, da er arm war und seine Freunde reich, machte er folgendes Testament: »Meinem Freund Aretheus vermache ich meine Mutter, um solche zu nähren und in ihrem Alter zu pflegen. Meinem Freund Charixenus vermache ich meine Tochter, um sie zu verheiraten und ihr einen so großen Brautschatz als nur möglich zur Aussteuer zu geben, und in dem Falle, da einer vor dem andern sterben sollte, so substituiere ich ihm den andern, der ihn überlebt.«

Diejenigen die zuerst das Testament sahen, trieben darüber ihren Spott; als aber die Erben davon Nachricht erhielten, nahmen sie's mit großem Vergnügen an; und als einer von ihnen, Charixenus, fünf Tage darauf starb, welchem Aretheus substituiert war, so unterhielt dieser die Mutter mit der fleißigsten Sorgfalt, und von den fünf Talenten, die er im Vermögen hatte, gab er seiner einzigen leiblichen Tochter zwei und ein halbes und die übrigen drittehalb Talente der Tochter des Eudamidas, die er mit seiner eigenen Tochter zugleich verheiratete. Dies Beispiel ist sehr sprechend. Was daran auszusetzen sein möchte, wäre die Mehrheit der Freunde; denn die vollkommene Freundschaft, von der ich hier rede, ist unteilbar. Jeder von beiden übergibt sich seinem Freund so gänzlich, daß ihm nichts übrigbleibt, was er einem andern geben könnte. Es tut ihm vielmehr leid, daß er nicht zweifach sei, dreifach und vierfach, und daß er nicht mehr Seelen habe denn eine und mehr als einen Willen, um[134] das alles dem einzigen Gegenstand zu übertragen. Alltagsfreundschaften lassen sich teilen, man kann in dem einen die Schönheit liebhaben, in dem andern die sanften Sitten, in einem andern die Freigebigkeit, in diesem die Zärtlichkeit des Vaters, in jenem des Bruders usw. Bei dieser Freundschaft aber, welche sich der Seele bemächtigt und solche unumschränkt regiert, ist es unmöglich, daß sie zweifach ist. Wenn deine zwei Freunde zu gleicher Zeit von dir Beistand verlangten, welchem von beiden würdest du zur Hilfe eilen? Wenn sie sich widersprechende Pflichten von dir forderten, nach welcher Ordnung würdest du verfahren? Wenn dir der eine ein Geheimnis anvertraute, das dem andern ersprießlich wäre zu wissen, wie würdest du dich dabei benehmen? Die einzige und vornehmste Freundschaft läßt keine Verbindung der Seele weiter zu, das Geheimnis, was ich zu bewahren beschworen habe, kann ich ohne Meineid demjenigen mitteilen, der eigentlich mein anderes Ich ist. Es ist ein nicht kleines Wunder, sich selbst zu verdoppeln. Und diejenigen kennen seine Größe nicht, welche von triplieren schwatzen. Nichts ist über sein Maß hinaus, das seinesgleichen hat. Und wer für bekannt annimmt, daß ich von zweien den einen ebenso stark liebe als den andern und daß jeder von ihnen sich untereinander und mich ebenso lieben als ich sie, der vervielfacht in der Seelenbrüderschaft eine Sache, die nur einfach und einzig und wovon eine noch dazu die seltenste ist, die man auf dieser Welt finden kann. Das übrige dieser Geschichte schickt sich sehr gut zu dem, was ich sagte; denn Eudamidas vermacht seinen Freunden aus Liebe und Gefälligkeit die Gelegenheit, ihm in seinem Bedürfnis zu helfen; er setzt sie zu Erben derjenigen Freigebigkeit ein, die darin besteht, ihnen die Mittel an die Hand zu geben, wodurch sie ihm wohltun können. Und in seiner Handlung zeigt sich ohne Zweifel die Stärke der Freundschaft viel heller als in der Tat des Aretheus. Kurz, es sind Effekte, die für denjenigen undenkbar sind, der nicht selbst einige Erfahrung davon hat, und die mir die Antwort so äußerst[135] ehrwürdig machen, welche jener junge Krieger dem Cyrus gab, da er von ihm befragt wurde, für wieviel er das Pferd weggeben wollte, mit dem er den Preis im Wettrennen gewonnen hatte; ob er es wohl gegen ein Königreich vertauschen möchte. »Nein Herr, gewiß nicht; gern aber gäb' ich's hin, wenn ich dadurch einen Freund gewinnen könnte; ich müßte aber einen Mann finden, der des Bündnisses wert wäre.« Er sagte ganz richtig, »ich müßte finden«; denn man findet Menschen genug, die sich zu einer oberflächlichen Bekanntschaft schicken; bei dieser Freundschaft aber, wo es auf alles ankommt, was wir sind und haben, nichts ausgenommen, ist es nötig, daß alle Bewegursachen rein und vollkommen sicher sind. Bei Verbindungen, die nur auf einen Zweck zielen, sind nur solche Unvollkommenheiten zu vermeiden, welche sonderlich diesem Zweck hinderlich wären. Es ist gleichgültig, von was für Religion mein Arzt ist und mein Anwalt. Dieser Umstand hat mit den Freundschaftsdiensten, die sie mir zu leisten haben, nichts zu schaffen. Und mit der häuslichen Verbindung, welche die Leute mit mir eingehen, die mir dienen, verfahre ich ebenso; und erkundige mich, wenn ich einen Lakaien annehme, wenig danach, ob er keusch, sondern ob er fleißig ist und seinen Dienst versteht; und fürchte nicht so sehr, einen Reitknecht zu bekommen, der sein Geld verspielt, als einen, der ein Dummkopf ist; noch einen Koch, der flucht und schilt, als einen, der nichts versteht. Es ist meine Sache nicht, zu sagen, was man in der Welt tun soll, es gibt andere genug, die sich damit abgeben; weiß ich nur, was ich darin tue.


Mihi sic usus est: tibi, ut opus est facto, face.8


Bei Tische habe ich lieber aufgeweckte als fürsichtige Gäste; im Bett lieber Schönheit des Körpers als Schönheit des Geistes; beim geselligen Gespräch lieber Verstand und Witz als schulgerechte Weisheit und so im[136] übrigen. Gerade so wie derjenige, den man mit seinen Kindern spielend auf einem Stecken reitend antraf, den Mann, der ihn ertappte, bat, er möchte es nicht eher ausbringen, bis er erst selbst Vater geworden wäre, weil er meinte, die väterliche Zärtlichkeit, die alsdann in seiner Seele lebendig werden müßte, würde ihn zum billigen Richter über diese Tat machen, so wünschte ich, mit Leuten zu reden, die das erfahren hätten, wovon ich spreche; allein da ich weiß, wie selten eine solche Freundschaft und wie hoch sie über den gewöhnlichen Brauch der Welt hinaus ist, so erwarte ich darüber keinen guten Richter. Denn selbst die Meinungen, die das Altertum uns über diesen Gegenstand hinterlassen hat, kommen mir, gegen die Gefühle, die ich davon habe, als seicht und flach vor. Und in diesem Punkte übertreffen die Wirkungen die Lehren der Philosophie selbst.


Nil ego contulerim jucundo sanus amico.9


Der alte Menander pries den glücklich, der nur den Schatten von einem Freund hätte finden können. Er hatte gewiß recht, das zu sagen; selbst wenn er aus Erfahrung gesprochen. Denn, in Wahrheit, wenn ich das übrige meines Lebens, das ich zwar durch die Gnade Gottes ganz gemächlich und bequemlich und außer dem Verlust eines solchen Freundes frei von drückendem Kummer, mit ganz ruhigem Gemüt hingebracht habe, indem ich das, was mir der Himmel bescherte, mit Danksagung genoß und nicht mehr Überfluß begehrte; wenn ich es ganz durchgängig vergleiche, sage ich, mit den vier Jahren, da mir's so gut ward, des süßen Umgangs mit diesem Manne zu genießen, so ist's ein bloßer Rauch, nichts weiter als eine dunkle freudenleere Nacht. Seit dem Tage, da ich ihn verlor:


Quem semper acerbum,

semper honoratum (sic Di, voluistis!) habebo10,
[137]

schleich' ich hinwelkend umher, und die Freuden selbst, die sich mir darbieten, anstatt mich aufzuheitern, verdoppeln meinen Schmerz über seinen Verlust. Wir gingen beständig zur Hälfte: mich dünkt, ich raube ihm jetzt seinen Anteil.


Nec fas esse ulla me voluptate hic frui

Decrevi, tantisper dum ille abest meus particeps.11


Ich war dergestalt daran gewöhnt, überall selbander zu sein, daß mir deucht, ich sei nur noch halb.


Illam meae si partem animae tulit

Maturior vis, quid moror altera?

Nec carus aeque, nec superstes

Integer. Ille dies utramque

Ducet ruinam.12


Bei jeder Handlung, bei jedem Gedanken finde ich Gelegenheit zu dieser Klage, so wie er getan haben würde, wenn er mich überlebt hätte; denn, so wie er mich in jeder andern Wissenschaft und Tugend unendlich weit übertraf, so tat er's auch in der Pflicht der Freundschaft.


Quis desiderio sit pudor aut modus

Tam cari capitis.13


O misero frater adempte mihi!

Omnia tecum una perierunt gaudia nostra,

Quae tuus in vita dulcis alebat amor.

Tu mea, tu moriens fregisti commoda, frater;

Tecum una tota est nostra sepulta anima,[138]

Cuius ego interitu tota de mente fugavi

Haec studia, atque omnes delicias animi.14


Alloquar? Audiero nunquam tua verba loquentem?

Nunquam ego te, vita frater amabilior,

Adspiciam posthac? at certe semper amabo.15


Aber laß uns ein wenig hören, was der Jüngling von sechzehn Jahren zu sagen hat.

Weil ich gefunden habe, daß dies Werk seitdem von solchen Menschen aus böser Absicht in den Druck gegeben worden, welche den Staat zu beunruhigen und seine Verfassung zu ändern trachten, ohne eben zu wissen, ob sie solche auch verbessern möchten, und weil sie dies Werk mit andern Schriften von ihrem eignen Machwerk zusammengemengt haben, so hab' ich mich eines andern besonnen und werde es hier nicht einrücken. Und damit das Andenken des Verfassers nicht bei denen darunter leide, welche seine Meinungen und Handlungen nicht in der Nähe gekannt haben, so berichte ich ihnen, daß diese Materie von ihm schon in seinen Knabenjahren, gleichsam als zur bloßen Übung, ist bearbeitet worden, als eine Materie, die alltäglich genug und schon in tausend Stellen in Büchern abgedroschen worden. Ich zweifle im geringsten nicht daran, daß er glaubte, was er schrieb, denn er war gewissenhaft genug, um selbst im Scherz keine Unwahrheit zu sagen. Dabei weiß ich noch, daß, wenn die Wahl bei ihm gestanden hätte, er lieber zu Venedig als zu Sarlat geboren wäre; und zwar mit Recht. Er hatte aber einen andern Grundsatz unauslöschlich in seine Seele geprägt: sich den Gesetzen des Landes, wo er geboren[139] worden, zu unterwerfen und ihnen getreulich zu gehorchen. Es war kein besserer Bürger zu erdenken, oder der mehr die Ruhe seines Landes wünschte, oder ein größerer Feind von den Friedensstörern und Neuerern seiner Zeit gewesen wäre. Er hätte viel lieber seine Kräfte angewendet, das Feuer zu löschen, als es weiter anzufachen. Er hatte seinen Geist nach dem Muster anderer Jahrhunderte als des gegenwärtigen gebildet ...

Fußnoten

1 Horaz, De art. poet. 4: Das von oben schöne Weib geht aus in einen Fisch.


2 Horaz, Od. II, 2, 6: Und ich selbst bin dafür bekannt, daß ich meine Brüder väterlich liebe.


3 Catull LXVIII, 17: Auch wir sind nicht unbekannt der Göttin, die dem Wermut des Lebens Honig zumischt.


4 Ariost X, 7: Wie der Weidmann dem Hasen nachsetzt, in Frost, in Hitze, durchs Tal und über Berge; und hat er ihn erhascht, nicht mehr sein achtet, nur bloß den, der ihn flieht, verfolgt.


5 Cicero, Tusc. disp. IV, 34: Was ist's denn eigentlich mit dieser Freundschaftsliebe? Warum verfällt sie nicht auf häßliche Jünglinge, nicht auf schöne Greise?


6 Cicero, Tusc. disp. IV, 34: Liebe sei der Drang, mit der Schönheit Freundschaft zu errichten.


7 Cicero, De amic. 20: Jede Freundschaft läßt sich nur nach der Reife und Stärke des Alters und des Geistes beurteilen.


8 Terenz, Heautont. I, 1, 28: So mach' ich's. Du magst es treiben, wie dir's die Umstände gebieten.


9 Horaz, Sat. I, 5, 44: Allen Dingen den frohen Genuß eines Freundes vorzuziehen, treibt mich die Vernunft.


10 Vergil, Aen. V, 49: Tag, der mir ewig schmerzhaft (so wollen's die Götter), Tag, der mir ewig heilig sein wird.


11 Terenz, Heautont. I, 1, 97: Und das ist mein Schluß auf immer, nie eine Freude zu genießen, solang er sie nicht mit mir teilt. Ihm nie sein Recht zu nehmen.


12 Horaz, Od. II, 17, 5: Wenn meinen besten Teil der Seele die Parzen vor der Zeit abrissen, was zaudert der andere, der mir nicht lieber, nicht überlebender ist! Ein Tag stürzt uns beide ins Grab.


13 Horaz, Od. I, 24, 1: Der Sehnsucht sollt ich mich und ihrer Heftigkeit schämen? Sie mäßigen bei einem so schmerzlichen Verlust?


14 Catull LXVIII, 20: Oh, wie elend macht, Bruder, mich dein Verlust! Dahin mit dir ist meine Freude! Mit dir starb jeder Genuß mir, der mir durch den Besitz deiner edeln Seele, solang du hier walltest, geschenkt ward. Dein Tod hat mir meine Seele geraubt, hat alle Musen, alle Grazien von mir verscheucht.


15 Catull LXV, 9: Soll ich nie dich wieder sprechen? Nie, liebenswürdigster Bruder, dein Antlitz wieder sehen? Doch werd' ich gewiß ewig dich lieben.


Quelle:
Montaigne, Michel de: Essays. Leipzig 1967, S. 121-140.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Essays (Auswahl)
The Complete Works Essays, Travel Journal, Letters by Montaigne, Michel de ( AUTHOR ) Apr-03-2003 Hardback
ESSAYS ESSAYS BY Montaigne, Michel de(Author)07-1993( Paperback )
The Essays: A Selection (Penguin Classics)
Four Essays
Essays of Michel De Montaigne Volume 2

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon