Ewige Frühlingsbotschaft

[111] Sieh mit weißen Armen, schwellenden Brüsten,

purpurnen Lippen, blitzenden Augen dort

der jungen Weiber hold erregte Reigen

aus den immergrünen Toren der Jugend,

gleich aus brechenden Körben rollenden Früchten,

quellen – strömen – – sich ergießen – – –

des Lebens unversiegliche Bürgschaft selber.


Und du stürzest nieder in deiner Kraft,

und, besiegt vom Zauber unendlicher Anmut,

lässest du willenlos dich mit Rosenbanden

fesseln, und durch den zierlichen Fuß der Erwählten

küssest und wirkst du mit neuen Gelöbnissen dich

an den gütigen Schoß deiner ewigen Mutter.


Aus den immergrünen Toren der Jugend

wiegen jungfräuliche Reigen sich

in die grauen Gefilde der Welt.

Und es zittert die keusche Myrte,

und unruhig atmet die Rose,

wenn im hohen Äthergewölbe

die Kerzen der Nacht aufflammen.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 3, Basel 1971–1973, S. 111-112.
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