In der Sistina

Die Sistinische Kapelle

dröhnt von wüsten Hammerschlägen:

Männer zimmern für die Feste

eines Baldachins Gerüst.


An die zarten Farbenleiber

stößt des Lärms gemeine Welle:

Unverrückt an ihrem Werke

bleibt die hohe stumme Schar.


Nur Ezechiel schilt und eifert,

während Jeremias trauert, –

doch sie eifern, doch sie trauern

nicht ob eignen Untergangs.


Höheres erfüllt ihr Herze,

als auf niedres Volk zu achten;

noch zerfallend, noch zerbröckelnd

werden sie das Gleiche tun.


Leise rinnen Stäubchen nieder,

Mauerstäubchen, Farbenstäubchen,

bleicher wird, doch niemand merkt es,

fahler wird der Leiber Pracht.
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Hundert, aberhundert Jahre

lärmt der Schwarm sein Eintagstreiben

wüst empor zum Geisterreigen,

Körnchen rinnt herab um Korn.


Doch die Hohen, unbeweglich,

leben fort ihr hohes Leben,

fern der Zeit und ihren Tücken,

überweltlich bis zum Tod.

Quelle:
Christian Morgenstern: Sämtliche Dichtungen. Abteilung 1, Band 7, Basel 1971–1973, S. 21-24.
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