Fünfter Auftritt.

[511] Doris in Staatskleidern. Silvander. Chloe.


DORIS hüpfend.

Nun, Chloe! hast du es den Fremden kund gethan?

Doch was macht hier Damöt?[511]

CHLOE.

Wo siehst du denn Damöten?

DORIS.

Wer ist de Schäfer hier?

SILVANDER.

Hier hab ich Rath vonnöthen.


Zu Chloe.


Wer ist die schöne denn?

DORIS.

Nun rede!

SILVANDER.

Sag es doch!

DORIS.

Wer ist er? – – bist du stumm?

SILVANDER.

Wer ist sie? schweigst du noch?

DORIS.

Kennst du den Schäfer nicht?

SILVANDER.

Kennst du nicht diese Schöne?

DORIS.

Sprich!

SILVANDER.

Fort!

DORIS.

Geschwind!

SILVANDER.

Heraus?

DORIS.

So rede doch![512]

SILVANDER kläglich.

Verhöhne

Mich nicht in dieser Noth.


Ein jeder sagt dieses alles etwas sachte, daß es das andere nicht höret.


DORIS.

Ach sprich!

CHLOE.

Das ist betrübt!


Zu Silvander.


Das ist die, die ihr sucht:


Zu Doris.


das ist der, der dich liebt.


Sie erstrecken beide.


Nun redet!


Zu Doris.


Bist du stumm?


Zu Silvander.


Schweigt ihr?


Zu beiden.


ihr müst euch zeigen.


Zu Doris.


Sprich!


Zu Silvander.


Fort!


Zu Doris.


Geschwind!


Zu Silvander.


Heraus! – – Nun gut ich kann auch schweigen.

SILVANDER nach einigen Stillschweigen.

Ist sies? Ja ja, sie ists. Ach schönste Schäferinn,

Die Tracht, in welcher ich vor euch erschienen bin,

Zeigt euch schon deutlich gnug, wie hoch ich euch muß ehren.

DORIS.

Und diese Tracht kann euch von mir desgleichen lehren.

SILVANDER.

Glück! doch meinet ihr, daß ihr durch diese Tracht,

Euch, allerschönstes Kind! mir reitzender gemacht?

DORIS.

Und meint ihr, daß ich euch als Schäfer nur kann lieben?

CHLOE.

So recht, die Liebe hat die Unschuld bald vertrieben.[513]

SILVANDER.

O! wie entzückt ihr mich durch eure Gütigkeit,

Bey Furcht und Zweifel schien mein Glück mir noch sehr weit.

Doch, was ihr thut, und was ich nicht gewagt zu hoffen,

Zeigt mir den Eingang schon zu euren Herzen offen.

DORIS.

In diesem nahmt ihr schon beym ersten Anblick Platz.

SILVANDER.

Und eures war schon da mein allergröster Schatz!

Da ihr mich liebt, fürcht ich kein wiedriges Geschicke.

DORIS.

Und mein Glück raubt mir nichts, weil ichs in euch erblicke.

CHLOE.

Die hat bald ausgelernt, was kann nicht mein Bemühn?

SILVANDER.

Soll ich ein Schäfer seyn?

DORIS.

Nein, ich will mit euch fliehn.

CHLOE.

Nein, Doris! nicht zu früh, Montan hat drein zu sprechen.

DORIS.

Montan? nein, ich will mich an seiner Arglist rächen.

CHLOE.

Du mußt behutsam seyn, denn er steckt voller List,

Er hindert dich gewiß, du wißt ja wie ist.[514]

SILVANDER.

Was soll man aber thun?

CHLOE.

Er muß durchaus nichts wissen,

So lang er noch nichts weiß, kann er auch nichts beschließen.

Zieh diese Kleider aus, sey wieder Schäferinn.

SILVANDER.

Und mich verträgt er wohl, wenn ich ein Schäfer bin.

Ich will mich gegen ihn, wie er es wünscht, betragen;

So wird er mir vielleicht nicht meinen Wunsch versagen.

DORIS.

Bewegt ihn dieses, uns nicht hinderlich zu seyn,

So geh ich, was man will, mit viel Vergnügen ein.

CHLOE.

St! still! er kommt hieher.

SILVANDER.

O weh!

CHLOE.

Ich will gleich gehen

Und machen, daß er euch nicht sieht beysammen stehen.

Du Doris lauf dorthin


Chloe ab.


Quelle:
Christlob Mylius: Vermischte Schriften. Berlin 1754, S. 511-515.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon