Die Forelle

[268] In der hellen Felsenwelle

Schwimmt die muntere Forelle,

Und in wildem Übermuth

Guckt sie aus der kühlen Fluth,

Sucht, gelockt von lichten Scheinen,

Nach den weißen Kieselsteinen,

Die das seichte Bächlein kaum

Überspritzt mit Staub und Schaum.
[268]

Sieh doch, sieh, wie kann sie hüpfen

Und so unverlegen schlüpfen

Durch den höchsten Klippensteg,

Grad', als wäre das ihr Weg!

Und schon will sie nicht mehr eilen,

Will ein wenig sich verweilen,

Zu erproben, wie es thut,

Sich zu sonnen aus der Fluth.


Über einem blanken Steine

Wälzt sie sich im Sonnenscheine,

Und die Strahlen kitzeln sie

In der Haut, sie weiß nicht wie,

Weiß in wähligem Behagen

Nicht, ob sie es soll ertragen,

Oder vor der fremden Gluth

Retten sich in ihre Fluth.


Kleine muntere Forelle

Weile noch an dieser Stelle

Und sei meine Lehrerin:

Lehre mir den leichten Sinn,

Über Klippen weg zu hüpfen,

Durch des Lebens Drang zu schlüpfen,

Und zu gehn, ob's kühlt, ob's brennt,

Frisch in jedes Element.


Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 268-269.
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