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[66] Dafne. Apollo.
Dafne.
Es ist die Spur deß Hirschen ja für mir;
Wie laß bin ich! Ach, wer er doch allhier.
Apollo.
Wer muß nur diese seyn;
Die auß den Augen lässet blincken
So einen hellen Himmels-Schein,
Den ich spür' in mein Hertze sincken?
Dafne.
Ich denck ihm noch wol für zu biegen,
Im Fall ich eyle.
Ich muß nur sehn, ob auch der Peil wird fliegen
Und scharpff seyn, wie er soll.
Apollo.
Ach, scharpff genung sind deiner Augen Pfeile,
Ich fühle sie ja wol;
Sie verwunden mich von ferrnen.
Bist du nicht der Nymfen eine,
Oder, wie ich auch vermeine,
Eine Göttin auß den Sternen?
Wie daß du Pfeil' und Bogen an dich henckest?
Dafne.
Ich such' ein schnelles Wild
Und bin ein sterblichs Weibesbildt,
Nicht eine Göttin, wie du denckest.
Apollo.
Gläntzt in der schönen Sterbligkeit
Dergleichen Liecht,
So frag' ich nach dem Himmel nicht.
Dafne.
Das Thier verläufft sich allzu weit;
Ich muß den Fuß nur ferrner setzen.
Apollo.
Du kanst doch mit den Augen hetzen,
Im Fall du schon nicht Berg und Thal
Mit deinen Pfeilen
Durchsuchest überall.
[67] Dafne.
Nichts anders wündsch' ich zu ereylen;
Die Lust, so ich im Sinne führe
Sind Berge, Püsch' und Thiere:
Diß ist der Raub, der bey mir gilt.
Apollo.
Du fällest nicht nur blosses Wildt;
Dann deiner stoltzen Augen Liecht
Kan auch die Götter selbst versehren;
Ihr Hertz' ist für dir sicher nicht.
Dafne.
Die Götter pfleg ich hoch zu ehren;
Durch meine Pfeil' und Bogen
Wird nur das Wild betrogen.
Du aber säumest mich
Mit langem Stehen.
Apollo.
Vergönne mir, daß ich
Mag mit dir gehen.
Ich weiß die Thiere wol zu fällen;
Wir wollen eine Jagt
Mit grosser Lust anstellen,
Die mir und dir behagt.
Dafne.
Es darff sich nichts zu mir gesellen
Als Pfeil und Bogen nur. Glück zu.
Apollo.
Ach, warte! warumb eylest du?
Erkenne doch, o Schöne, wer dich liebet;
Ein Gott ist's, der sich dir ergiebet,
Der dich begehrt, gieb deinem Glücke statt,
Nimb an den guten Rhat.
Ach fleuch, ach fleuch doch nicht!
Mein Hertze das zerbricht
Und zwingt mich, daß ich schneller eyle
Als diese meine Pfeile,
Wann mir ein Wild auffstößt.
Du rennest, läuffst und gehst,
Wohin du wilt, so will ich folgen können.
Wer eyfrig liebt, dem kan kein Ding entrinnen.
[68] Chor der Hirten.
Liebe, wer sich selber haßt;
Aber wer sein gutes Leben
Will der freyen Ruh ergeben,
Reißt sich von der argen Last,
Suchet für das süsse Leyden
Felder, Wild, Gepüsch' und Heyden.
Ihm gefällt die Faulheit nicht,
Die nicht als zum Bösen wachet,
Die den Trägen schwächer machet
Und der Starcken Krafft zerbricht,
Die den Geist zeucht auff die Erden
Und heißt Männer Kinder werden.
Seine Lust, die er begehrt,
Die ihm kürtzet manche Stunde,
Sind berühmbte schnelle Hunde
Und ein ritterliches Pferdt;
Sein Gemüthe muß sich letzen
Mit dem adelichen Hetzen.
Wann der Reiff das Feldt betaut,
Und die Vögel mit dem Singen
Umb die Morgenröthe springen,
Sitzt er munter auff und schaut,
Ob er mit den schnellen Winden
Kan ein schönes Stücke finden.
Also dringt die scharpffe Pein
Nimmer in sein grosses Hertze,
Das von Wollust, Lieb' und Schertze
Gantz will frey und sicher seyn,
Will nicht von den Freuden wissen,
Die Gemüth' und Leib muß büssen.
Flieht ingleichen diese Lust,
Die doch nur den weichen Sinnen,
So nichts Mannlichs üben können
Soll bekandt seyn und bewust,
Die nur wie ein Schatten stehet,
Der bald wird und bald vergehet.
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Weltliche Dichtungen
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