[265] Die Sulamithinn.
Im Garten wird mein Trost zu finden sein,
Da samlet er die zarten Rosen ein,
Da weidet er, da pflegt er einzubinden
Das Nardenkraut, Gewürtz' und Zimmetrinden.
Er ist der mein', er ists, mein Hertz' und Sinn,
Und ich weiß auch, daß ich die seine bin,
Von dem mich nichts auff dieser Erden scheidet,
Der jetzund geht und in den Lilien weidet.
Salomon.
Ist Thirza gleich die allerschönste Statt
Von derer Schar, so stehen am Eufrat,
So bist doch du, mein Augentrost und Leben,
Für ihrer Zier gar weit noch zu erheben.
Wie Solyma in ihren Thürnen steht
Mit denen sie fast an die Wolcken geht,
So bist du auch; doch kanst du gleichfals schrecken,
Wie Kriegesvolck pflegt Furchte zu erwecken.
Ach, wende doch mit deinen Augen dich
Von meinen weg, dann sie entzünden mich;
Sie martern mich mit tausent harten Qualen
Und tausent noch der Augen heisse Stralen.
Nichts anders als der feisten Ziegen Schar
In Galaad, ist auch dein schönes Haar;
Die Zähne sind wie Schaffe, recht zu sagen,
So reine sind, und Zwilling' allzeit tragen.
[265]
Granatenfarb', ist sie gleich trefflich hoch,
So übertrifft sie doch am Glantze noch
Die grosse Zier und Schönheit deiner Wangen,
Umb welche her die güldnen Haare hangen.
Zwar sechtzig sind der Königinn allhier,
Und achtzig halt' ich Kebesweiber mir,
Die Mägdlein sind nicht alle fast zu zehlen,
Doch muß ich dich mir sonderlich erwehlen.
O meine Taub', o Hertz', o werthes Liecht,
Der Mutter Lust, dir gleicht sich keine nicht.
Es müssen ja die Töchter dich erheben
Und dir dein Lob die Königsweiber geben.
Sie fangen an: Wer muß doch diese sein,
Die lieblich ist als wie der Morgenschein,
Wie Mond' unnd Sonn'; unnd die uns mehr kan schrecken,
Als wann man sicht ein Heer die Fahn' auffstecken?
Die Sulamithinn.
Ich gieng hinab in einen Nüssewald
Und sahe zu, ob nicht der Weinstock bald
Hett' Augen kriegt und ob nicht auch zu grünen
Mit Blüte schon die Granatöpffel schienen.
Ich aber hab' es nie bey mir bedacht,
Wie ich doch wol zurücke ward gebracht,
Aminadab, auff deinem schnellen Wagen,
An welchem sie vier frische Rosse jagen.
Salomon.
Komm, Liebste, komm; was fleuchst du dann für mir,
Der ich mich doch so gantz ergebe dir?
Komm, immer komm, komm Sulamithinn, wieder.
Was schämst du dich? Schlag nit die Augen nieder.
Was seht ihr doch die Sulamithinn an,
Die mich so wol mit Liebe binden kan,
Die ähnlich sieht den Heeren, so zum Streiten,
Zu offner Schlacht und Kampffe sich bereiten?
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliche Dichtungen
|
Buchempfehlung
Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.
142 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro