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Kossuth hat eine Proklamation an das ungarische Volk erlassen, in der er demselben »zu wissen gibt, wie die russischen Barbaren-Horden überall im Vaterland eingebrochen sind und vorwärtsrücken«; und weiter »wir geben ferner zu wissen, daß, obgleich es so gewiß ist wie Gott im Himmel, wenn es den Russen gelingen sollte, unser ungarisches Vaterland zu besiegen, daraus die Knechtschaft für alle Völker Europas erfolgen würde, wir doch vom Ausland keine Hilfe erwarten können, weil die Herrscher die Sympathie ihrer Völker unterjocht halten, die stumm und tatenlos auf unsern gerechten Kampf hinsehen. Es ist daher niemand, auf den wir hoffen könnten, als der gerechte Gott und unsere eigne Kraft; wenn wir aber unsere eigne Kraft nicht benutzen, so wird auch Gott uns verlassen.« – Und weiter wird in der Proklamation ein allgemeiner Volkskreuzzug angeordnet. – Der Aufruf hat bereits die erwartete Wirkung. Die Teilnahme an dem Kreuzzug wird als eine allgemeine beschrieben, die beispiellos sei in der Geschichte. Die ganze Bevölkerung, Männer, Weiber, Kinder, alles sei auf den Beinen und zahllos seien die Scharen, welche mit dem weißen Kreuz auf der Brust sich zu dem bevorstehenden Kampf meldeten. – Schon vor diesem Volkskreuzzug lasen wir eine Notiz, wo auch in der ungarischen Armee unter 35 Kämpfenden immer ein Weib sei. Die persönliche Teilnahme der Frauen am Kampf wird sich nun noch als eine ganz andere herausstellen. – Wir haben oft erklärt, daß wir ein gesuchtes und eitles Amazonentum mißbilligen, daß die Frauen nicht in das Heer gehörten u.s.w., aber wenn ein Volk in einer Lage ist wie jetzt Ungarn, gestalten sich die Sachen anders. In einen solchen Volkskreuzzug gehören die Frauen auch. Da ist es nicht abgetan mit Charpie-Zupfen, Verwundete pflegen, Kleidernähen und Kochen für das Heer – da mögen und werden sie hinaufeilen auf die Türme, nach dem Feind zu spähen, und durch Sturmläuten sein Kommen zu verkündigen, – da mögen und werden sie mithelfen die Städte verbarrikadieren und verteidigen oder, wo das nicht möglich ist, sie auszuräumen und anzuzünden – da mögen und werden sie das Schwert oder die Sense ergreifen, wenn sie stark genug sind, sie zu führen, oder das Schießgewehr, wenn sie schießen gelernt. – Die Mütter mögen sich schonen für ihre Kinder, aber die ledigen Mädchen dürfen die Gefahr nicht scheuen, wenn sie die Kraft haben, mit ihren Waffen selbst Gefahr zu bringen, sie mögen und werden kämpfen und sterben für das Vaterland. – Oder wollt ihr etwa auch der Erhabenheit eines solchen Volkskreuzzuges gegenüber mit dem sentimentalen Einwand kommen: das Weib dürfe den Tod nicht in die feindlichen Reihen senden, sein Gefühl sei dagegen u.s.w. (das Stichwort »unweiblich« lauert im Hintergrund) – nun, so frage ich euch: sind denn die Männer privilegierte Mörder? ist es denn einem Mann gleichgültig, zu töten? – Unmenschlich ist's, denn unmenschlich ist jeder Krieg – und wir wiederholen noch einmal: das sei ferne, daß wir die Frauen als Söldnerinnen sehen möchten neben einem fürstlichen »herrlichen Kriegsheer« – aber wo kein gewöhnlicher Krieg geführt wird, sondern ein Volkskreuzzug, wo es eine Erhebung[113] des ganzen Volkes gilt, auf die entweder die Vernichtung desselben und aller Freiheit oder der Sieg der Freiheit für alle Völker folgen muß: da müssen die Frauen mit aufstehen, denn das ist ein Kampf wider die fortgesetzten Kriege der Unterdrücker gegen ihre Unterdrückten, dies ist ein Kampf für den ewigen Frieden. – Meine Stimme wird nicht die Schwestern in Ungarn erreichen, aber ihre Taten für ihr Vaterland und die Freiheit werden zu uns dringen, und wir werden beten für sie, daß Gott mit ihnen sei und den Volkskreuzzug zum Ziele führe! Daß er die heilige Stätte des Vaterlandes nicht in den Händen der ungläubigen Unterdrücker lasse – der Ungläubigen, die nicht an die Freiheit glauben! Wir wollen beten, bis daß der Tag komme, da die deutschen Frauen sich würdig als Schwestern der ungarischen Helden-Frauen zeigen können! –
L.O.
Ausgewählte Ausgaben von
Aufsätze aus der »Frauen-Zeitung«
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