Wenn hell des Morgens Gluthen

[181] Wenn hell des Morgens Gluthen

Vergolden Berg und Thal,

Der Vögel Lieder fluthen,

Ein freudiger Choral,

Dem Blumen-Oceane

Sich würz'ger Duft entringt,

Der Lenz, die grüne Fahne,

Ein heit'rer Sieger, schwingt,

Da winkt das Lied vergebens,

Und überwältigt lauscht

Mein Herz dem Strom des Lebens,

Der brandend es umrauscht.
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Doch wenn im Licht, im bleichen,

Des Mond's die Erde liegt,

Im Wipfel alter Eichen

Der West sich leise wiegt,

Wenn dunkle Wolken jagen

Voll Sehnsucht südenwärts

Und Geisterstimmen klagen,

Da tönt und klingt mein Herz!

Mein Knie beugt sich zum Grunde,

Des Auges Thräne rinnt,

Und der Erinn'rung Stunde,

Des Sanges Zeit beginnt.

Quelle:
Betty Paoli: Neue Gedichte. Pest 21856, S. 181-183.
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