Von Schimpff oder Ernst das 59.

[42] Got was Bürg, ein Apt bezalt.


Es was einmal ein Edelman, der het in einem Krieg eins Burgers Sun gefangen, und fůrt in mit im heim in sein Schloß und legt in in ein Turn. Da er ein Zeitlang in dem Thurn gelag, da ließ er den Junckern bitten, das er zů im kem, er het etwas mit im zů reden. Da er zů im kam, da sprach er: ›Lieber Juncker, ich lig hie und bin weder euch noch mir nütz; so wöllen mir meine Fründ die hundert Guldin nit schicken, darmit ich mich selbs lösen möcht. Und thůn als wol und lassen mich selbs heimziehen! In acht Wochen wil ich mich widerumb stellen und euch das Gelt bringen als ein frumer Gesel!‹ Der Juncker sprach: ›Wen wiltu mir zů einem Bürgen geben?‹ Der Gefangen sprach: ›Ich hab niemans; ich wil euch Got den Herren zů einem Bürgen geben und wil euch einen Eid schweren, bei demselbigen Bürgen das zů halten.‹ Der Juncker sprach: ›Den Bürgen wil ich annemen‹, und ließ in ein Eid schweren und ließ in heim faren.

Da fůr der arm Knecht heim und verkaufft alles sein Gůt, das er het, und bracht das Gelt uff, und mocht es doch nit zůwegen bringen in den acht Wochen, als er dan gelobt het, und bleib wol drei Wochen über das Zil uß.

Es fügt sich uff ein Zeit, das der Juncker über Felt reit, und zwen Knecht ritten mit im. Da begegnet inen ein Apt oder ein Prior uff zweien hübschen Pferden, mit einem Knecht. Und der Juncker sprach zů seinen zweien Knechten: ›Sehen, ir lieben Gesellen, wie reitet der Münch mit zweien reisigen Pferden, und reit als kostlich als ein Ritter! Er solt uff einem Essel reiten. Sein gewarnt, wir wöllen ein Dat thůn.‹ Da er nun zů inen kam, da greifft er dem Pfert in den Zaum und sprach: ›Her, wer sein ir, wer ist üwer Her?‹ Der Münch sprach: ›Ich bin ein Gottesdiener, und Got ist mein Her.‹ Da sprach der Edelman: ›So kumen ir mir eben recht. Ich hab ein Gefangen gehabt und hab in ledig gelasen, der hat mir euwern Herren zů Pfand gelassen und zů einem Bürgen geben. Nun kan ich im nichtz angewinnen, er ist mir zů mechtig; darumb so wil ich seine Diener angreiffen.‹ Und nam den Münch zů Fůß mit im uff das Schloß, und namen im, was er het.

Es fügt sich, das sein gefangen Man widerumb kam, und fiel dem Junckeren zů Fůß und wolt im das Gelt geben und saget, er het das Gelt nit ee von den armen Lüten mögen bringen, er solt nit zürnen. Der Juncker sprach: ›Gůt Gesel, stand uff unnd behalt dein Gelt unnd far, wahin du wilt! Wan dein Bürg hat dich wol gelösset.‹[43]

Das Exempel dient uff böse Exempel geben, als Ordenßlüt thůn, die etwan hohe Roß reiten, dadurch die Edlen etwan geergert werden, das man das Almůsen also zů Hoffart braucht und anderswahin dan Got zů Eren.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 42-44.
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