XIV.

[57] Hell frische, süße Wogen,

Die jüngst die schönen Glieder

Der Einz'gen, die mir Herrinn scheinet, kühlten!

Ihr Zweige, zart gebogen –[57]

Mit Seufzen denk' ich's wieder –

Die stützend ihren holden Körper hielten!

Ihr Blüthen, die da spielten

Um's Kleid ihr, loos' und leichte,

Um Busens Engelreine!

O Luft, du heil'ge, reine,

Wo Amor mir ihr Herz im Auge zeigte!

Vernehmt all', was ich sage,

Vernehmt die letzte schmerzensvolle Klage! –


Ist's einmahl mir beschieden,

Des Himmels fester Wille,

Daß dieses Herz in Liebesweh ersterbe,

So finde ihren Frieden

Bey euch die kranke Hülle,

Und nackt der Geist die alte Wohnung erbe.

Der Tod ist minder herbe,

Wenn zu dem dunkeln Orte

Die Hoffnung mit mir ziehet.

Denn nimmermehr entfliehet

Der matte Geist in ruhigerem Porte,

Nimmer in stillern Thalen

Seinen Gebeinen, abgemüht in Qualen.


Vielleicht erscheint die Stunde,

Wo an gewohnter Stelle

Das schöne sanfte Wild sich wird ergehen,

Und sehnend in der Runde

Mich suchen, an der Quelle,

Da sie am heil'gen Tage mich gesehen,

Und wird – könnt' ich's erflehen! –

Wenn Staub sie unter Steinen

Mich sieht, von Lieb' umfangen,[58]

So süß in Seufzern bangen,

Daß mir des Himmels Gnade muß erscheinen;

Ja ganz wird sie ihn zwingen,

Wenn ihre Thränen in den Schleyer dringen.


Es quoll von zarten Zweigen –

Mit Wonne denk' ich's immer –

Herab auf ihren Schooß ein bunter Regen.

Mit demuthvollem Schweigen,

In all' der Glorie Schimmer,

Saß überdeckt sie von der Blüthen Segen,

Die um den Saum sich legen,

An blond Gelock sich schmiegen,

Das an dem Tag die Holde

Gleich Perlen schmückt' und Golde;

Zur Erde die, auf Wellen jene fliegen,

In schwebendem Getriebe

Umkreisend rufen andr': Hier herrscht die Liebe!


Wie oft sprach ich voll bangen

Erstaunens da: »In Wahrheit,

Sie stammt aus paradiesischem Gefilde!«

So hatte mich befangen

Des Leides Himmelsklarheit,

Ihr Aug', ihr Wort und ihres Lächelns Milde,

Und von dem wahren Bilde

Mich also abgeschieden,

Daß oft ich rief beklommen:

Wie bin hieher ich kommen? –

Im Himmel dünkt' ich mich, nicht mehr hienieden. –

In diesen Blumengründen,

Sonst nirgend kann seitdem ich Ruhe finden.[59]

Wär' dir der Schmuck, Canzone, den du wünschest

Du könntest sonder Zagen

Aus Waldesdunkel in die Welt dich wagen.

Quelle:
Petrarca, Francesco: Italienische Gedichte. Band 1, Wien 1827, S. 57-60.
Lizenz:
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