Susette

[75] Ein junges Weib aus Tivoli

In Algier Sklavin ward.

Ein rascher Aga kaufte sie

Und strich sich froh den Bart.


»Kind, sprach er, trotz den Houris schön,

Hemm deiner Thränen Lauf;

Du sollst heut mit mir schlafen gehn;

Nimm diesen Kuß darauf.«


Susette war der Heilgen gleich,

Die ihr den Namen gab:

Sie zieht ihm einen Backenstreich

Und wischt den Kuß sich ab.


»Das leid ich nicht, beym Mahomet!«

Rief ihr der Türke zu.

»Ha! schluchzt die Schöne, dein Prophet

War just ein Bock wie du.«


Ein wilder Derwisch stand dabey

Und hört die Blasphemie;

Er schleppt sie schäumend vor den Dey

Und klaget wider sie.
[76]

Der Dey war leider nicht mehr jung,

Er sprach mit frommem Graus:

Man schneide für die Lästerung

Die frevle Zung ihr aus.


Gesagt, gethan. Susette war

Nun eine Märtyrin,

Und oben drein verdammt ein Jahr

Den Schellenkarrn zu ziehn.


Sie bog geduldig sich ins Joch,

Trug wie ein Lamm ihr Kreutz,

Und wer sie sah, den rührte noch

Im Zwilchgewand ihr Reitz.


Das Jahr verstrich; durch Quaal und Spott

Gieng es die träge Bahn:

Und nun flog ein Maschinengott

Zu ihrem Trost heran.


Ihr Mann, der auch die Kette trug,

Schriebs an den Pabst nach Rom.

Der heil'ge Vater ohn Verzug

Berief den Mönch Pachom.


Er zählte tausend Kronen baar

Dem Pater in den Schooß.[77]

Geh, sprach er, mach das fromme Paar

Vom Joch der Türken los.


Dreymal bückt sich der Pater tief,

Und schnell wie Habakuk

Eilt er auf ein Ankonerschiff,

Genannt Sankt Nepomuk.


Pachom lief ohne Fährlichkeit

Im Port von Algier ein,

Und fand den Weg in kurzer Zeit,

Das Ehpaar zu befreyn.


Von Hut und Haube bis zum Strumpf

Neumodisch ausstaffiert,

Der Pater sie nun im Triumph

Zum guten Urban führt.


Sie küssen weinend ihm die Schuh

Voll heisser Dankbegier.

Gerührt sieht er dem Weiblein zu

Und giebt den Segen ihr.


»Geht, holt von einem Märtyrer,

Aus dem Duplettenschrein,

Geschwind mir eine Zunge her

Und passet ihr sie ein.«
[78]

So sprach der Pabst. Man bringt zur Stund

Das Heiligthum ihm dar:

Und kaum legt man's ihr in den Mund,

So schwatzt sie wie ein Staar.


Nun gieng erst recht der Jubel an:

Ganz Rom hallt Urbans Ruhm.

Doch nach drey Tagen rief der Mann:

»O wär mein Weib noch stumm!«

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 75-79.
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