[78] Vor dem Hause des Mopsus.
MOPSUS.
Wie bin ich froh, daß meiner Frau Nachkommenschaft,
Sie selbst mit ihr, gesegnet alles Zeitliche!
Man wird doch vieler Sorgen mit den Kindern quitt,
Auch gilt als Wünschenswerthestes ein früher Tod,
Wie meine Kleinen fanden durch das Gäbelchen.
Dann war das Weib ein Meisterstück von Gottes Zorn:
Wär' ich in England, hätt' ich lange sie verkauft,
Was aber soll ich machen in Arkadien?
Hier sind die Frau'n stets über oder unterm Preis.
Falsch war sie, das bezweifelt kaum ein Skeptiker:
Nicht falscher ist das rege Flammenelement,
Das listenreiche, täuschende, verfängliche,
Salamanderkörperbildungenernährende!
Oft sagt' ich ihr, wenn Keiner just zugegen war:
O hättest du mehr Gürtel als das Gürtelthier,
Du löstest doch die sämmtlichen um Weniges!
Und hätt' ich sie verschonen sollen? Nimmermehr!
Die Tugend großer Seelen ist Gerechtigkeit.
Doch fort ans Cap, und lassen wir die Todten ruhn!
Wo aber bleibt denn Crusoe, der Kinderfreund?
Mopsus, Schmuhl.
SCHMUHL.
Die Kutsche steht im nächsten Busch bereit bereits,
Und auch gepackt ist Alles.
MOPSUS.
Danke, Crusoe!
Doch fällt in diesem Augenblick noch Eins mir bei:
Du weißt doch, was die Polizei Steckbriefe nennt?
SCHMUHL.
Visitenkarten, die man an den Spiegel steckt?[79]
MOPSUS.
Nicht ganz. Genug, ich fürchte diese Briefe sehr,
Und darf als Mopsus keineswegs die Reise thun,
Auch reisen Schäfer selten in Arkadien.
SCHMUHL.
Dann mußt du dich verkleiden, scheint's.
MOPSUS.
Als was jedoch?
SCHMUHL.
Je nun, als Musterreiter, wenn dir das gefällt.
MOPSUS.
Ich reite gar nicht, wenigstens nicht musterhaft.
SCHMUHL.
Als Virtuos auf irgend einem Instrument.
MOPSUS.
Ich blase keins, auf welchem man Concerte gibt.
SCHMUHL.
Als Einer, der Gastrollen spielt, als Bühnenheld.
MOPSUS.
Als Held, o Gott! Ich bin ja kaum drei Spannen lang.
SCHMUHL.
Als reisender Gelehrter willst du nicht?
MOPSUS.
O pfui!
SCHMUHL.
Auch wohl als Handwerksbursche nicht?
MOPSUS.
Ich fechte nicht.
SCHMUHL.
So besteig' als Passagier den Hinrichs.
MOPSUS.
Was ist das?
SCHMUHL.
Ein Obertollhausüberschnappungsnarrenschiff.
MOPSUS.
Wo man den Faust scholastizirt? Da fahr' ich nicht!
SCHMUHL.
Nur Einer Art von Reisenden gedenk' ich noch.
MOPSUS.
Die ist?
SCHMUHL.
Als eine Brittin.
MOPSUS.
Wie?
SCHMUHL.
Als englische
Gemahlin eines reichen Lords. Ich spiele gern
Den Kammerdiener.[80]
MOPSUS.
Allerdings das scheint mir klug!
Ich wäre dann aufs Sicherste verkappt dabei,
Und hinge stets den Schleier vor. Wo kriegen wir
Den Lord jedoch?
SCHMUHL.
Wir machen überall bekannt,
Daß er aus langer Weile jüngst gestorben ist.
MOPSUS.
Doch was den Reichthum anbelangt, so weißt du ja,
Daß stets die große Kiste noch unaufgesprengt.
SCHMUHL.
Laß mich nur sorgen! Was ich will, vermag ich auch.
Den Mond vom Himmel zieh' ich, wenn es mir beliebt,
Als Negromant, und als ein zweiter Archimed
Nehm' ich der Erde Hemigloben in die Hand!
MOPSUS.
Die Hemigloben allenfalls, worauf man sitzt.
SCHMUHL.
Die ohnedem. Der ew'gen Sphären Harmonie
Sperr' ich, wie ihr die Nachtigall, in Käfige.
MOPSUS.
Sprich doch von dir bescheidener, o Crusoe!
SCHMUHL.
Ein großer Mensch spricht edel von der Welt und sich,
Ein kleiner klein und niedrig; aber das gefällt, s;
Das nennen dann die Niedrigsten Bescheidenheit.
MOPSUS.
Verschone mit Sentenzen mich, o Crusoe!
SCHMUHL.
Genug! Ich öffne deinen Schatz, ich führ' es aus,
Und sollten drohn mir alle Schauder der Natur,
Der Tod von Basel und der Neid von Weißenfels.
MOPSUS.
Ich geh' in irgend eine Trödelbude jetzt,
Und schaffe mir die Kleider einer englischen
Milady an.
SCHMUHL.
Ich eile fort und kaufe Thee,
Denn ohne Thee reist keine Lady.
MOPSUS.
Wehe mir!
Thee trinken muß ich? Kaufe doch zum wenigsten
Wohlfeilen ein, Hollunderthee.
SCHMUHL.
Der treibt den Schweiß.[81]
MOPSUS.
Was mögen erst die andern treiben!
SCHMUHL.
Schnell davon!
Ich höre Leute kommen.
Beide ab.
Damon tritt auf.
DAMON.
Wo der Schmuhl mir bleibt,
Muß ich mich doch erkundigen. Wie leicht, daß ihn
Der rohe Mopsus, wenn er ihn ertappt, entleibt!
Wenn ich es wünschen könnte, wär' es etwa nur,
Um beizusitzen einem Kriminalprozeß,
Was für die Menschenkennerschaft höchst förderlich.
War etwa Shakespear irgend Kriminaljurist,
Da es heißt in den ästhetischen Compendien,
Daß er ein Menschenkenner war? Doch conterfei'n
Ihn Andre wieder anders, und er mahlt sich selbst
Als Einen, der die Nase nicht in Alles steckt,
Verschlossen, still, zartfühlend bis zum Eigensinn,
Und in sich eine größre Welt als außer ihm.
Ist das gegründet, würd' ich, wär' ich Präsident
Von einer wissenschaftlichen Akademie
Aufstellen als Preisfrage diesen kurzen Satz:
Wo nehmen denn die Dichter die Gedanken her?
Viel weiß man, wenn man das nur weiß. Man schickte dann
Compilatoren, Schwätzer und Pedanten hin,
Die voll von Mitleid auf Poeten niedersehn,
Und sich so viel auf ihre Sitzgelehrsamkeit
Einbilden, um zu lernen, daß es außer dem
Buchstaben noch was Andres gibt in Gottes Welt.
Allein, was fall' ich aus der Rolle? Sehn wir erst
Nach unserm Schmuhl, o hieß' es doch nach unserm Schatz!
Er geht ins Haus, Sirmio kommt von der andern Seite.
[82]
SIRMIO singend.
O wonnigliche Reiselust,
An dich gedenk' ich früh und spat!
Der Sommer naht, der Sommer naht,
Mai, Juni, Juli und August,
Da quillt empor,
Da schwillt empor
Das Herz in jeder Brust.
Ein Thor, wer immer stille steht,
Drum Lebewohl und reisen wir!
Ich lobe mir, ich lobe mir
Die Liebe, die auf Reisen geht!
Drum säume nicht,
Und träume nicht
Wer meinen Wink versteht!
Sirmio, Damon.
SIRMIO.
Aus dem Hause stürzt der Schultheiß? Was ist das? Was ist geschehen?
DAMON.
Jammer über Jammer! Wehe! Wehe mir! Was mußt' ich sehen!
SIRMIO.
Blutig ist er, in den Händen hält er eine blut'ge Gabel.
DAMON.
Ha! Das geht noch über Kain, Kain schlug doch blos den Abel!
SIRMIO.
Ei, warum so früh, Herr Schultheiß, und aus welchem Interesse
DAMON.
Was für Untersuchungskosten! Was für Kriminalprozesse!
SIRMIO.
Hört ihr mich denn nicht, Herr Schultheiß? Sagt mir nur, woher so frühe?
DAMON.
Eile selbst hinein zum Mopsus, und erspare mir die Mühe!
Sirmio ab.
DAMON.
Nein! Ich beb' an allen Gliedern! Hätte Schmuhl mir das begangen?[83]
Einen Universitätsfreund sieht man doch nicht gern gehangen!
Er, der in Moralcollegien schlummernd neben mir gesessen!
Zwar, es kann der beste Mensch sich einen Augenblick vergessen!
Doch in einigen Minuten hat er das wol nicht verbrochen,
Sicher hat er an so Vielen stundenlang herumgestochen.
Läßt er nicht sich doch vertheid'gen? Bin ich denn umsonst belesen?
Ließe sich denn nicht behaupten, daß es blos ein Spaß gewesen?
Daß die Kinder Wechselbälge, die zu tödten nur zur Ehre
Kann gereichen? Dann auch sind ja Gabeln keine Mordgewehre:
Selbst in Raupachs Trauerspielen sah man nie mit Gabeln spießen.
Weiß man, ob sich nicht die Kleinen etwa selbst zur Ader ließen?
Ob sie nicht sich duellirten, weil um's Butterbrod sie schmollten?
Ob sie nicht Ideen hatten, und für diese sterben wollten!
Ist denn auch der Tod ein Uebel? Ist er wirklich ein Verderben?
Ja, sogar der beste Mensch, was kann er Bess'res thun als sterben?
SIRMIO zurückkehrend.
Weib und Kinder! Welch Entsetzen! O weswegen kam ich später
Als der Räuber an, der Mörder? Wehe dir, verruchter Thäter!
DAMON.
Ich der Thäter? Rast der Bursche?
SIRMIO.
Wer denn sonst? Das möcht' ich wissen!
Seiner Geldbegierde wegen haben sie ins Gras gebissen.
DAMON.
Phyllis hatte falsche Zähne, ja die Kinder fast noch keine.[84]
SIRMIO.
Wie? Er spottet noch, Verruchter? Sah man eine Schuld wie Seine?
Doch Er soll mir kahler werden, als ein Vogel in der Mause!
DAMON.
Bin denn ich der Mörder, Gimpel?
SIRMIO.
Nun, was that Er sonst im Hause?
Hält Er nicht die blut'ge Gabel noch in Händen? Soll ich schweigen,
Geb' Er mir den Schatz, wo nicht, so geh' ich fort, es anzuzeigen.
DAMON.
Weiß denn der nun auch vom Schatze? Sirmio, laß mich ziehn in Ruhe!
SIRMIO.
Mörder! Mörder!
DAMON.
Ei beileibe!
SIRMIO.
Nun, wo hat Er denn die Truhe?
DAMON.
Hätt' ich sie, wie gerne theilt' ich sie mit dir aus alter Liebe!
SIRMIO.
Mörder! Mörder!
DAMON.
Ei beileibe!
SIRMIO.
Mörder! Mörder! Diebe! Diebe!
Ab.
DAMON.
Dämonisches Loos, das just jetzt mich, zur mißlichsten Stunde hiehertrieb!
Wie errett' ich mich nun? Wie wend' ich von mir den Verdacht, der allzuberedt spricht?
Ich ergreife die Flucht! In der Nähe zumal ist ja die arkadische Gränze.
Ach, aber zu Fuß, und ohne Kredit, und ohne die nöthige Baarschaft,
Wie frist' ich das Ding, das Leben genannt wird unter den Physiologen?
Mit dem Dinge vielleicht, das bei Polizeidirektorien Betteln genannt wird?
Wie romantisch dacht' ich mir doch vormals das gemüthliche Leben der Bettler![85]
Wenn geschäftslos sie, durch Nichtsthun fett, Almosen erzwingen vom Mitleid,
Wenn sie sorglos ziehn in den Städten umher, durch sonnige Dörfer und Märkte,
Das Erhaschte sogleich aufzehren und nichts in den lumpigen Taschen behalten,
Stets leicht und vergnügt und sodann ausruhn im blühenden Schatten der Linde,
Und dabei, gleichsam wie ein ernstes Geschäft abfangen den hüpfenden Floh sich!
Aber jetzt däucht mich's ein beschwerliches Loos, um Pfennige flehen mit Inbrunst.
Doch muß ich daran! ja, fort! fort! fort! Sonst köpfen sie ohne Verzug mich.
Bin ich weg, dann mögen sie ohne Verzug in effigie mich an den Galgen
Festnageln, wo Stoff ich liefere dann für eine Tragödie Deutschlands,
Auf daß des Absurden Absurdestes auch selbst fühle, wie sehr es absurd ist,
Und ein Volk es bewundre, vor welchem zugleich Iphigenie steht und Pandora!
Jetzt fort, denn man kommt!
Ab.
Schmuhl tritt auf.
SCHMUHL.
He, Damon! he! Der nimmt ja gewaltigen Reißaus;
Was hat er im Kopf? Doch sey's, wie's sey, mein Schäflein bring' ich ins Trockne.
Da kommt ja der Mopsus als Lady bereits, mit seinem entsetzlichen Strohhut.
Schmuhl, Mopsus.
MOPSUS.
Hier steh' ich verkappt als brittisches Weib; doch kommt mir das Englische hart an:[86]
Kein voller Accent, und ein Sprachwirrwarr, und stets einsylbige Wörtlein:
Nie könnt' ich damit anapästischen Schwung in die raschen Tetrameter zaubern;
Da lob' ich mir doch vielgliedrige, ja, weltkugelumsegelnde Worte.
Dieß führt mich zurück auf unsere Fahrt. Hier hab' ich ein Reiseverzeichniß,
Marschroute genannt, denn wir ziehn doch wohl durch Deutschlands beste Provinzen,
Und du wirst mir dabei angeben, was mir Merkwürdiges etwa zu schau'n ist.
Hier unten zuerst am östlichsten Punkt steht Wien, Augarten und Prater.
SCHMUHL.
Ein bewässertes Land, von Gelehrten bewohnt, die aber dem Griechischen abhold,
Und ein Volkslustspiel, das lustiger ist, als sämmtliche deutsche Theater.
MOPSUS.
Das dacht' ich mir wohl. Nach München sodann –
SCHMUHL.
Dort ist jetzt Alles in Gährung:
Wer weiß, was es gibt?
MOPSUS.
Ueber Augsburg dann –
SCHMUHL.
Wo die Fugger zu Hause.
MOPSUS.
Nach Stuttgart.
SCHMUHL.
Von dorther dringt ein gemüthlicher Ton zartfühlender, heimischer Lieder.
MOPSUS.
Dann zieht sich der Weg über Onolzbach –
SCHMUHL.
Dort siehst du das Uzische Denkmal.
Im selbigen Jahr, als Uz abstarb, und zwar im herrlichen Weinmond,
Ward dort überdieß noch ein zweiter Poet höchst würdigen Aeltern geboren:
Doch löst er dem Uz sein Schuhband kaum, und war ein geringer Ersatz blos.[87]
MOPSUS.
Nach Dresden sodann –
SCHMUHL.
Dort möcht' ich, wenn dort nicht
wären so schöne Gemälde,
Auch gemalt nicht seyn.
MOPSUS.
Dann leiden wir fast Schiffbruch
im berlinischen Sandmeer.
SCHMUHL.
Dort lehre man uns, wie man Sprache verdirbt, mit Schrauben sie foltert und radbricht:
Was geschmacklos ist, manirirt und gesucht, das ging vom süßen Berlin aus.
Beduinische Kunst, kritisirende blos kommt fort im dasigen Klima,
Und gesellt ist ihr, in Geschwisterlichkeit despotische, feile Scholastik.
Doch werd' auch diese spartanische Stadt durch Lob und Gesänge verherrlicht,
Denn des Volks Aufschwung, in heroischer Zeit, der ging vom großen Berlin aus!
MOPSUS.
Dann schiffen wir uns bei Hamburg ein.
SCHMUHL.
Nun geht's die verödete See durch;
Nur treib' uns nicht ein verdrießlicher Wind nach meiner ermüdenden Insel.
MOPSUS.
Hier find' ich nur noch Sankt Helena's Strand.
SCHMUHL.
Dort siehst du die Stürme des Weltmeers,
Und feierlich klingt's, wenn die Fluth aufrauscht, wie homerische Heldengesänge.
MOPSUS.
Nun, Crusoe, rasch in die Kutsche hinein!
SCHMUHL.
Nur Eins noch will ich dich fragen:
Was thun wir zuerst an der Hoffnung Cap?
MOPSUS.
Wir bauen ein neues Theater.
SCHMUHL.
Und die Bauart sey?
MOPSUS.
Im dorischen Styl.
SCHMUHL.
Was setzen wir in die Metopen?[88]
MOPSUS.
Abbildungen wohl von den Affen des Cap's und die Schicksalsdichter dazwischen.
SCHMUHL.
Jetzt weiß ich genug, ich folge dir nach.
MOPSUS.
O wären wir über der Gränze!
Ab.
SCHMUHL als Chorus.
Eh' ich in den Wagen steige, bring' ich euch noch hier zu Fuß
Unsres euch bekannten Dichters euch bereits bekannten Gruß!
Merkt ihr endlich, liebe Christen, zwischen diesem seinem Lied
Und den sonstigen Comödien einen kleinen Unterschied?
Merkt ihr endlich, daß es komisch keineswegs ihm dünkt und fein,
Euch Gemeines nur zu geben und zu geben es gemein?
Nein! Was häßlich scheint und niedrig, und entblößt von Halt und Norm,
Werde zierlich wie das Schöne, durch des Geistes edle Form!
Nichts von Allem, was das Leben euch vergiftet, fecht' euch an,
Alles taucht die Hand des Dichters in der Schönheit Ocean!
Nicht allein der Glauben ist es, der die Welt besiegen lehrt,
Wißt, daß auch die Kunst in Flammen das Vergängliche verzehrt!
Widerfahre denn auch unserm Freunde Billigkeit und Recht:
Seyd ihr taub, so höre du ihn, ungeborenes Geschlecht!
Denn es werden gute Geister schweben über seinem Wort,
Wenn es geht von Mund zu Munde, wenn es wechselt Ort um Ort!
O wie manche Quasidichter, (sie zu nennen fehlt die Zeit,)
Die man ihm als Muster lobte, ließ er hinter sich so weit![89]
Gerne beugt er sich der Stirne, die ein Zweig mit Recht umlaubt,
Beugt vor Goethe's greisen Schläfen ein noch nicht bekränztes Haupt;
Doch vor Eingedrungnen, sey'n sie auch begabt mit Sinn und Witz,
Die er nicht erkennt als Meister, springt er nicht empor vom Sitz.
Größres wollt' er wohl vollenden; doch die Zeiten hindern es:
Nur ein freies Volk ist würdig eines Aristophanes.
Zwar der Dichter freut sich eines großgesinnten Königs Gunst,
Doch Europa's Seufzer steigen um ihn her als Nebeldunst!
Da der Sonnenstrahl der Freiheit seine Tage nicht erhellt,
Gibt er, statt des Weltenbildes, nur ein Bild des Bilds der Welt.
Mag er wissen, was vom deutschen Schaugerüst man sich verspricht,
Wie es steht in deutschen Landen, frage man Poeten nicht!
Einem spätem Meister überläßt er die berühmte That,
Volk und Mächtige zu geißeln, ein gefürchtet Haupt im Staat.
Zürnt ihr ihm, wenn seine Feder, die die Bühne sich als Stoff
Auserkoren, von Satyre, wie die Reb' im Lenze, troff?
Der Begeisterung Altäre sind in Dampf gehüllt und Qualm,
Und im Pantheon der Helden singen Pfuscher ihren Psalm:
Wo Gestalten schreiten sollten, schwebeln Schatten, leer und hohl,
Und der Dichter sagt den Brettern ein entschiednes Lebewohl![90]
Wehe Jedem, der vertrauend unter ein Geschlecht sich mischt,
Welches heute klatscht der Thorheit, und der Wahrheit morgen zischt;
Ein Geschlecht, das gern die Mühe, Großes zu verstehn, erspart,
Ach, und dem den Sinn des Schönen nie ein Gott geoffenbart!
Das jedoch, mit dreister Stirne, Jeden gleich zu meistern denkt,
Der der Kunst sein tiefstes Sinnen, ja das Leben selbst geschenkt;
Ein Geschlecht, das stets zerrissen, stets vom Halben halb erfaßt,
Jede Seele, die als Ganzes sich harmonisch rundet, haßt!
Gönne das Geschick dem Dichter nur den Wunsch, für den er glüht,
Bald sich in ein Land zu flüchten, wo die Kunst so reich geblüht,
Bis zuletzt die deutsche Sprache seinen Ohren fremder tönt,
Eine Sprache, die sich ehmals unter seiner Hand verschönt:
Ja, dann mag er sterben, wie es schildert euch ein früh'res Lied,
Lanzenstiche viel im Herzen, als der Dichtkunst Winkelried!
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