21. Richte nicht:

[130] Du sagest wol von vielen glaubens früchten/

Vnd lebest doch nicht wie man leben sol:[130]

Du steckest selbst fast aller boßheit voll/

Vnd darfest noch den nähesten vernichten:

Du wilt ja zwar des näh'sten händel schlichten/

Vnd lebest selbst in zwitracht/ zorn vnnd groll.

O heücheley: der leb' erst selber wol

Vnd seh auf sich wer andere wil richten/

Wer jederman nur tadeln wil vnd lehren/

Der muss gar oft sein' eigne mängel höhren:

Wer gerne siebt/ wird wiederumb gesicht.

Wer andere schilt/ wer andre schimpft vnd strigelt/

Wird offtermals/ wie er verdient/ geprügelt

Drümb richte nicht/ so wirst du nicht gerichtt.

Quelle:
Deutsche Literatur, Reihe Barock, Erg.-Bd., Leipzig 1939, S. 130-131.
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