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[28] Den 24 September, 1760.
(Nachdem die Festung Kolberg von dem Russischen Heere einmal zu Lande, und zum zweyten mal von der Russischen und Schwedischen Seemacht vergeblich belagert worden war.)
Er siegt! mein Perseus siegt! – Ihr Freudenzähren,
Erstickt nicht meinen Lobgesang! –
O Fluten meines Stroms, erzählt in allen Meeren
Das Drachen Untergang!
[29]
Hier, wo der Belt, mein Kolberg zu verschonen,
Mit Dünen sein Gestad' umzieht,
Sass' ich, und sang entzückt den horchenden Tritonen
Von meinem Freund' ein Lied.
»Er schlug das Raubthier jüngst, das der beschneyte
Riphäus auf mich ausgespien,
Als ich, verlassen von den Göttern, seine Beute
Unwiederbringlich schien.«
Ich sprachs: als ich urplötzlich einen Drachen
Aus blauer Tiefe steigen sah
Mit fünfzig aufgerissnen feuerspeynden Rachen:
Ohnmächtig lag ich da.
[30]
Mein Perseus flog in diesem Augenblicke
Herab von seiner Warte, schwang
Sein glorreich Eisen, hielt den Tod im Meer zurücke
Dreymal neun Tage lang.
Ha! welche Flammenströme schoss die Hyder
Nach seinem Leben! – Endlich fand
Mein Flehn der Götter Ohr: und Waffen fielen nieder
Da, wo mein Gastfreund stand.
So bald ihm Plutons Helm das Haupt verhüllte,
Ihn Hermes Flügel trug, der Speer
Der schrecklichen Minerva seine Rechte füllte:
Stürzt' er die Pest ins Meer.
[31]
Von meinen Lippen soll sein Lob erschallen,
Ich feyre dankbar meinen Held,
So lang' in dieses Hafens Arme Segel wallen
Vom Ostwind' aufgeschwellt.
Ihm selbst will ich, wann er den Strand begrüsset,
Auf seine Wege Kalmus streun
Und Muscheln; denn mein Fluss ist arm: kein Goldfand fliesset,
Kaum Ambra rollt hinein.
Und du, mein Barde, der du vor den Thoren
Von deiner mütterlichen Stadt
Einst Lieder lalletest, wenn sie, die dich geboren,
Noch deine Liebe hat:
[32]
So singe meinen Liebling, meinen Retter
In jene Laute, die dir jüngst
Besaitet ward, in welche du den Kampf der Götter
Mit den Titanen singst.
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