Nach der Trennung. Lichterfelde

[431] War so oft schon dieses Scheiden.

»Lebewohl!« (Auf nur vier Wochen)

Schon gemeinsam schwer gesprochen, –

Schwerer jedem dann von beiden.


Jedes lächelte und lachte

Über das, was Üblich sprach.

Jedes wußte das und dachte

Hinterher ganz anders, lange nach.


Dies Berlin ist grausig tief und flach

Und so breit. Es gibt dafür kein Dach.

Schaurig schon, daß Menschen dort verschwinden.

Aber stelle arme Fraun dir vor, die dort

Schamvoll irrend einen öffentlichen Abort

Suchen und nicht finden.
[431]

Lichterfelde. Blieb mein D-Zug stehn.

Und ich sah im Schnellzug vis-à-vis

Ein so blasses schönes Eisenbahnergesicht,

Wie ich fremdfern nie

Ein Gesicht so innig hab gesehn.


Du, du meine Frau, wirst mich verstehn.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 431-432.
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