Ein Neujahrsgesang

[209] Hilf, Herr Jesu, laß gelingen,

Hilf, das neue Jahr geht an,

Laß es neue Kräfte bringen,

Daß aufs neu ich wandlen kan,

Neues Glück und neues Leben

Wollest du mit Gnaden geben.[209]

Alles, was ich auszurichten

Und zu reden bin bedacht,

Müsse mich, mein Gott, verpflichten

Deines theuren Namens Macht,

Daß auch das, was ich gedenke,

Dich zu preisen stets sich lenke.

Meiner Hände Werk' und Thaten,

Meiner Zungen Red und Wort

Müsse nur durch dich geraten

Und ganz glücklich gehen fort;

Neue Kraft laß mich erfüllen,

Zu verrichten deinen Willen.

Was ich dichte, was ich mache,

Das gescheh' in dir allein,

Wenn ich schlafe, wenn ich wache,

Wollest du, Herr, bei mir sein;

Geh' ich aus, halt an zur Seiten,

Komm' ich heim, so hilf mich gleiten.

Laß mich beugen meine Kniee

Nur zu deines Namens Ehr';

Hilf, daß ich mich stets bemühe,

Dich zu preisen mehr und mehr;

Laß mein Bitten und mein Flehen

Doch im Himmel vor dir stehen.

Laß mich, Herr, in deinem Namen

Frölich nehmen Speis' und Trank,

Güter, die von dir her kamen,

Fodern ja von mir den Dank;

Deine Weisheit kan mich stärken

Zu der Lieb' und guten Werken.

Mein Gebet das muß aufsteigen,

Herr, für deinen Gnadenthron,

Denn wirst du zu mir dich neigen

Wie zu deinem lieben Sohn;

Herr, ich weiß, es wird für allen

Dieß mein Opfer dir gefallen.

Laß dieß sein ein Jahr der Gnaden,

Laß mich büßen meine Sünd';[210]

Hilf, daß sie mir nimmer schaden,

Sondern bald Verzeihung find',

Herr, in dir! Nur du, mein Leben,

Kanst die Sünd' allein vergeben.

Tröste mich mit deiner Liebe,

Nim, o Gott, mein Flehen hin,

Weil ich mich so sehr betrübe,

Ja, vol Angst und Zagen bin;

Stärke mich in meinen Nöten,

Daß mich Sünd' und Tod nicht töten.

Salb', o Vater, meine Wunden,

Wasche mich mit Isop ab,

Zwar ich bin noch unverbunden,

Doch verletzet bis aufs Grab,

Tilg', Herr, meine Missethaten,

So wird meiner Not geraten.

Große Sünder kanst du heilen,

Ach! ich bin in ihrer Zahl;

Du, du kanst mir Gnad' ertheilen,

Hilf mir doch aus dieser Qual;

Denn du kennest ja die Schwachen,

Die du wiedrum stark wilt machen.

Zähle los mich Hochbetrübten,

Der ich nicht bezahlen kan;

Liebe mich in dem Geliebten,

Dein Sohn Jesus nimt mich an,

Jesus läßt mich nicht verderben,

Jesus läßt mich nicht im Sterben.

Herr, du wollest Gnade geben,

Daß dieß Jahr mir heilig sei

Und ich christlich könne leben

Sonder Trug und Heuchelei,

Daß ich noch allhie auf Erden

Fromm und selig möge werden.

Laß mich armen Sünder ziehen

Deinen Weg der Frömmigkeit;[211]

Laß mich Stolz und Hoffart fliehen,

Laß mich beten jederzeit,

Laß mich Schand' und Unzucht meiden,

Laß mich willig Unglück leiden.

Jesus richte mein Beginnen,

Jesus bleibe stets bei mir,

Jesus zäume mir die Sinnen,

Jesus sei nur mein' Begier,

Jesus sei mir in Gedanken,

Jesus lasse nie mich wanken.

Jesu, laß mich frölich enden

Dieses angefangne Jahr,

Trage stets mich auf den Händen,

Halte bei mir in Gefahr!

Freudig wil ich dich umfassen,

Wenn ich sol die Welt verlassen.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 209-212.
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