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[190] Der Unschuld des Herrn Jesu und der rechten Ursachen seines bittern Leydens und Sterbens.
1.
O Jesu, unbeflecktes Lamm,
Du meiner Seelen Bräutigamm,
Was hast du doch verschuldet?
O frommes, gütigs Knäbelein,
Wie, daß du solche Noth und Pein
Auff Erden hast erduldet?
Wer war doch Ursach', O mein Leben,
Daß man dich must' ans Creutz erheben?
2.
Ich macht' es, O Herr Jesu Christ,
Daß du so sehr gemartert bist,
Ich schlug dir deine Wunden.
Ich bin das Laster deiner Straff',
Und du, O allerliebstes Schaf,
Bist sonder Schuld gefunden.
Ich schaffte deinem frommen Hertzen
So grosse Pein und Todes Schmertzen.
3.
O Wunder Art! der bößlich lebt,
Der Tag und Nacht in Sünden schwebt,
Weis nichts von Straff und Plagen;
Und du, Herr Jesu, frommer Knecht,
Gehorsam, heilig und gerecht,
Wirst jämmerlich zerschlagen.
Was Adams Kinder je begangen,
Dafür hast du die Straff' empfangen.
4.
Wie ist doch, Herr', hie in der Zeit
Gewachsen deine Miltigkeit,
Wie hast du dich geneiget!
Immanuel, wie hast du dich
Den Sündern so gantz gnädiglich
Aus lauter Lieb' erzeiget!
Wie bist du doch für jhren Orden
Die Straff' und Fluch allein geworden?
5.
Hab' ich das Ubel doch gethan;
Was nimmst denn du die Striemen an,
Ja wilst getödtet werden?
Voll Ehrgeitz war mein stoltzer Sinn;
Du hälst für mich den Rücken hin,
Da schlägt man dich zur Erden;
Dein Hunger machte mich genesen,
Weil ich so fressig bin gewesen.
6.
Des Adams ungezähmte Lust,
Die dir in mir auch ist bewust,
Hat leider mich getrieben,
Daß ich gantz frech zum Baum' hin kam
Und die verbotne Frucht annahm;
Dich treibt das edle lieben
Biß an den Berg, da du gefangen
An einen Baum bist auffgehangen.
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7.
Ich such', O Herr, zu aller Zeit
Des Lebens eitle Süssigkeit;
Du schmeckest nichts als Gallen.
Die Wollust reisset mich dahin,
Mein Fleisch, dem' ich gehorsam bin,
Läst mich in Sünde fallen;
Und du, mit Näglen gantz durchschlagen,
Must unerhörte Schmertzen tragen.
8.
Wie sol ich doch, O grosser Gott,
So viel Verachtung, Hohn und Spott,
Angst, Marter, Schläg und Schelten,
Schmach, Striemen, Wunden, Beulen, Blut
Mit Danck' erkennen, höchstes Gut,
Wie sol ichs dir vergelten?
Ach solcher Danck kan hie auff Erden
Doch nimmermehr gefunden werden.
9.
Ein eintzigs geb' ich deiner Trew',
Als: rechte Buß' und wahre Rew',
Ein dir gefälligs Leben.
Diß wird, Herr Jesu, dir allein
Ein angenehmes Opffer seyn:
Der Bößheit widerstreben,
Zu Creutzigen das Fleisch dermassen,
Daß man sich gantz muß dir gelassen.
10.
So wird der schwere Sünden-Krieg
Gedämpffet durch des Geistes Sieg,
So wird das Fleisch bezwungen.
So wird vertrieben Angst und Noth,
Verfolgung, Trübsal, ja der Tod,
Mit welchen du gerungen.
So kan man alles überwinden
Und wahre Ruh' im Hertzen finden.
11.
HERR Jesu, deine Süssigkeit,
Die für die Sünder ist bereit,
Geuß mir in meine Wunden;
Wen die nur recht den Schaden trifft,
So wird der alten Schlangen Gifft
In mir nicht mehr gefunden;
So kan ich, Herr, der Menschen Sachen
Und alle Wollust leicht verlachen.
12.
Laß ja den Reichthumb dieser Welt
Und was man sonst für köstlich hält,
Mein Hertz nicht von dir kehren.
Verleyhe mir nur gnädiglich,
Daß ich gar nichts müg' über dich
In dieser Zeit verehren.
Dein Blut, Herr Jesu, kan mich laben;
Nur das, nichts anders wil ich haben.
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