Lob- und Dankliedlein nach überstandenem schwehren Sterbensleüften, Pestilentischen und andern gifftigen Seüch- und Krankheiten

[231] Dises wird gesungen auf die schöne Melodei meines bekanten Osterlides: Lasset uns den Herren preisen.


1.

Lasset uns, Ihr Christen, singen

Lob und Ehre, Dank und Preiß

Unserm Gott für allen Dingen,

Der uns so zu schützen weiß.

HERR, wer kan dich gnug erheben?

Deine Güht ist Väterlich,

Deine Lieb erweiset sich

Und dein hohe Macht daneben.

HERR, es sol mein Lobgesang

Rühmen dich mein Lebenlang.


2.

In der armen Sünder Orden

Waren wir für kurtzer Zeit

Aller Welt zum Scheüsahl worden

Wegen unser Eitelkeit.

Ach, wir waren gantz vernichtet,

Grosser Gott, durch deinen Grim,

Aber deine Gnadenstimm'

Hat uns wieder aufgerichtet.

Drüm sol auch mein Lebenlang

Rühmen Dich mein Lobgesang.


3.

Tödlichs Gift hatt' uns gebissen,

Gleichwol hat uns deine Macht

Auß des TodesSchlund gerissen

Und ins Leben wiederbracht.

Ach wir lagen gantz ümfangen

Mit der Seüche, die wie Feür

Brante scharf und ungeheür,

Endlich sind wir noch entgangen.

HERR, es sol mein Lebenlang

Preisen dich mein Lobgesang.
[231]

4.

Unser Seele war ümgeben

Mit Beschwerden ohne Zahl;

Dazumahl hieß unser Leben

Trübsahl, Unmuht, Angst und Quahl.

Gleichwol hat uns nicht verschlungen,

Der sonst manchen hingeraft;

Nein, Er ward durch deine Kraft,

O du MenschenFreünd, bezwungen.

Drum sol auch mein Lobgesang

Rühmen dich mein Lebenlang.


5.

Da wir alle kläglich rieffen,

Da wir schrien Tag und Nacht,

Da wir zu dem HERREN lieffen,

Hat Er uns gesund gemacht.

Unsre Tage sind vergangen,

(Klagen wir,) die Zeit ist hin!

Aber, nein, dein treüer Sinn

Hat zu helffen angefangen.

Drum sol dis mein Lobgedicht

Dich zu preisen ruhen nicht.


6.

Wen dein Eifer dich bewogen

Und uns angehauchet hett',

Ach so weren wir gezogen

In die Gruben auß dem Bett'!

Herr, wie matte Fliegen fallen,

Weren wir den andern gleich

Hingerükt ins TodesReich,

Und nun leb' Ich doch für allen.

Sol den nicht mein Lobgesang

Preisen dich mein Lebenlang?


7.

Gott, wir sind in deiner Hütten

Wolgedekt zur bösen Zeit.

Alß der Würger wolt' außschütten

Seinen Muht und Grausahmkeit:

Deine Güht hielt uns verborgen

In dem sichern Lebenszelt,

Daß wir nunmehr in der Welt

Wiedrüm wallen ohne Sorgen.

Nun es sol mein Lobgesang

Preisen Dich mein Lebenlang.


8.

HERR, du schüttest nach dem Weinen

Uber uns viel Freüd und Wonn'.

Ei wie lieblich muß doch scheinen

Nach dem Hagelschaur die Sonn'!

Auf viel Klagen folget Lachen,

Auf das Stürmen stille Zeit,

Auf viel Heülen Fröligkeit:

Solche Lust kan Gott uns machen.

Drum sol auch mein Lobgesang

Preisen Ihn mein Lebenlang.


9.

Nun die Seüch' hat aufgehöret,

Laß auch uns, HERR, hören auf

Das zu thun, waß uns bethöret

Hier in unserm LebensLauf'.

Ach daß doch dis Gift der Sünden

Flöge mit der Pest dahin,

Daß sich stets in unserm Sinn'

Ehr' und Tugend möchte finden!

Den so solt' auch mein Gesang

Rühmen Dich mein Lebenlang.


10.

Hilf doch, daß wir arme Maden

Dise schwehre Straff' und Pein

Abermahl uns nicht aufladen,

Laß uns neüe Menschen sein.

Lass' uns unser Schuld erkennen,

Lass' uns dich vol Reü und Leid

Bitten und, wan wir befreit,

Frölich unsern Vatter nennen.

Den sol unser Lobgedicht

Dich zu preisen ruhen nicht.


11.

Nun du wirst uns überheben,

(Ist es anders, HERR, dein Will,)

Diser Straff' und unser Leben

Schliessen lassen in der Still'.

O bei dir ist Raht zu finden,

Du kanst helffen in der Noht,

Du kanst reissen aus dem Tod':

Ei so hilff den überwinden,

Daß, O Gott, mein Lobgesang

Rühme dich mein Lebenlang.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 231-232.
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