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[275] 1.
Du grosser Gott, der du die Welt
Hast wunderlich erbauet
Und alles durch dein Wohrt bestelt,
Was man hie nieden schauet,
Der du dem Wasser auch sein Ziel
Gesetzet, daß es nicht zu viel
Den Erdenklooß betauet:
2.
Wir klagen dir, daß uns die Sonn'
Am Tage kaum aufgehet,
Ja gleich verfinstert läuft davon,
Der Mohn auch traurig stehet;
Es schütten itz ohn' Unterlaß
Die Wolken aus ihr schädlichs Naß,
Die Flüsse sind erhöhet.
3.
Die Schnitter solten ihre Hand
Zwahr bald mit Garben füllen,
Auch könte das so reiche Land
Schnell unsern Mangel stillen:
Nun aber, da man Freüden-voll
Die schönen Früchte samlen sol,
Muß sich der Tag verhüllen.
4.
Des Himmels stäte Feuchtigkeit
Läst unsre Saat verderben;
Es muß in dieser Ernde Zeit
Die liebe Frucht ersterben.
So suchet Gott die Menschen heim,
Die fleißig sind, aus Koht und Leim
Die Nahrung zu erwerben.
5.
Ja, grosser Gott, du bist gerecht,
Wir aber sind voll Sünden.
Drüm kommen wir und bitten schlecht,
Du wollest lassen schwinden
Nur deinen Zorn und unsre Schuld,
Auch einmahl wiedrüm Gnad' und Huld
Dein armes Volk empfinden.
6.
Steh' auff, O Gott, und wende dich,
Zu hören unser Flehen:
Hilff deinen Kindern gnädiglich,
Laß einmahl stille stehen
Den Regen, der ohn' Unterlaß
Verschwemmet das Getreid' und Graß,
Daß wir dein' Hülffe sehen.
7.
Des Himmels Fenster stopffe bald
Und wehr' hinfohrt dem Regen;
Du kanst ja plötzlich die Gewalt
Der Wolken niederlegen.
Gib einmahl wiedrüm trokne Zeit,
Daß wir, O Gott, mit Freüdigkeit
Versamlen deinen Segen.
8.
Wir wollen unsre Zuversicht
Hinauff zu dir erheben:
Laß doch die Sonn' ihr schönes Licht
Uns endlich wiedrüm geben;
So wollen wir mit höchstem Fleiß,
O Gott, dir singen Lob und Preiß
Hier und in jenem Leben.
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