Scena IV.

[144] Perseus, Lurco der Auffschneider / mit einem grewlichen grossen Messer.


PERSEUS. Wie deucht dich mein getreuwester Diener Lurco bey diesem newen Kriegeswesen / gehets nicht frisch fohrt?

LURCO. Ja durchleuchtigster Printz / noch zur zeit hats kein Bedencken / aber wo wir erst an die Feinde kommen / förchte ich sehr es werde Stösse regnen.

PERSEUS. Was höre ich Lurco? Grauset dir vor streiten vnd kempffen / da mir so hertzlich nach verlanget: O Wolten die Götter / daß diese jtzige stunde vnsere Feinde sich sehen liessen / ich wolte mit meiner streitbahren Faust thätlich erweisen / was ich offt vnd vielmahls mündtlich verheissen habe / ja mit diesem meinem Schwert wolte ich wieder bringen die grosse Schmach / Hohn vnnd Spott / dem Reiche Macedonien von den hochmühtigen Römeren erwiesen; Ach was werde ich ein glückseliger Mensche seyn / wenn ich mich zuletzt im Römischen Blute baden / vnnd mein ritterliches Schwert in den Eingeweiden vnd Gedärmen der Römer mag hin vnd wieder kehren.

LURCO. Ja gnedigster Herr / das ist mit E[wer] Durchl[euchtigkeit] viel ein anders / denn wer weiß nicht daß auff dem gantzen weiten vnd breiten Erdbodem keine eintzige rittermessige Persohn ist zu finden / die man mit E[wer] Gnaden vergleichen könte / wenn wir nemblich auff das fleissigste consideriren vnd betrachten deroselben hochansehenliche[145] Persohn / vortreffliche Tapfferkeit / vnerhörte Stärcke / vngläubliche Künheit / vnd viel andere ohnzeliche Göttliche qualiteten mehr / damit E[wer] Durchl[euchtigkeit] geziert vnd reichlich begäbet ist.

PERSEUS. Was sagstu Lurco, meinestu / das man meines gleichen in der Welt nirgends mehr finde?

LURCO. Nein fürwahr / vnd wenn ich gleich alle länder / Königreiche vnd Provincien, durchzöge / so wehre mirs doch ohnmüglich / einen solchen thewren vnd werthen Ritter anzutreffen.

PERSEUS. Was meine Persohn betrifft / habe ich dieselbe von anderen offt höchlich rühmen hören / Tapfferkeit aber / vnd einen Heldenmuth anlangend! / so weiß ich / daß ich keinen eintzigen Menschen der gantzen weiten Welt förchte / ja wenn ich mit den Römeren streiten solte / wolte ich nicht wie gebreuchlich Mann gegen Mann fechten / sondern eine gantze Compagnie wolte ich zugleich angreiffen / schlagen vnd verjagen / daß sich also die jenige Römer glückselich schetzen solten / die meinen streitbahren Fäusten entkommen wehren.

LURCO. Ja warlich es sind die Römer grosse Narren / daß sie nicht bey zeiten jhre Gesandten zu E[wer] Durchl[euchtigkeit] schicken / vnd vmb Friede anhalten lassen. O Jhr vnsinnige Römer / wie schmertzlich werdet jhr zu letst ewer Elent betrawren / wenn nemblich dieser vnüberwindtlicher Heldt über euch kommen / vnnd euch wie die ohnmechtige kleine Würme vnd Vögel zerreissen wird.[146]

PERSEUS. Jch schwere bey den vnsterblichen Götteren / daß ich meiner alten Gewonheit nach alle die jenige welche ich erhaschen werde / mitten von einander reissen / vnd mit solchen stücken vnd Viertheilen / den grossen Flüssen vnnd Wasseren jhren Lauff vnd Strom will verstopffen / eben wie ichs gemachet habe im Kriege wieder die Scythen, da ich mit meiner streitbahren Faust so viel 1000. Scyther erwürget / vnd danieder geleget habe / daß auch mein Pferdt mit mir etzliche Stunden im Blut der Erschlagenen herümmer geschwemmet / ich auch darin jämmerlich hette ersauffen müssen / wenn man mir nicht in solchem Blute mit einem Schiffe wehre zu hülffe kommen.

LURCO. Post schlapperment / das muß ein erschreckliches Blutbadt gewesen seyn / wo mag doch all das Blut endtlich geblieben seyn.

PERSEUS. Jch halte es sey ein rechter Strohm wor den / auff welchem noch biß auff den heutigen Tag seh wehre Lastschiffe gehen.

LURCO. Das ist pour dieu wahr / nun erinnere ichs mich / ich bin selber wol 10. Meilweges auff dem Strohm gefahren / es wunderte mich noch sehr / daß es lauter Blut war / die Leute hiessen diesen Blutfluß nach Ewer G[naden] Nahmen den Perseus Strohm / daß aber war das allerwunderlichste / daß das Blut in so langer Zeit nicht dicke worden vnd gerunnen wahr / aber doch fiel mir bald wiederumb ein / daß es die Sonne wiederumb dünne gemachet vnd erweichet hatte / den Scythia wie E[wer] Durchleuchtigkeit weiß / ist ein über die masse hitziges vnd sehr warmes Landt.

PERSEUS. Mein getrewster Diener Lurco, deme allen ist also / wie du erzehlest / wenn nicht der Fluß zu breit / vnd das[147] Landt gar zu weit von hinnen wehre / wolte ich noch zur gedechtnüsse eine Brücke hinüber schlagen lassen / doch es ist das Reich Scythia von hir sehr ferne abgelegen / vnnd dazu weinigen bekandt.

LURCO. Das ist wahr gnedigster Herr / aber eins habe ich noch gesehen / darüber sich billich die grosse lange / weite vnd breite Welt muß verwunderen / nemblich einen sehr hohen vnd erschrecklichen grossen / dicken langen Wall / der auch mit seiner Höhe die allerlengste Spitzen vnd Thürme vbertraff / der war also 6 gantzer Meilen an den Strohm her geleget / hielte dabenebenst in seiner Dicke etliche tausent Schritt / oder eine gute halbe Meile. Die Höhe / (wie sie denn der Archimedes richtig gemessen hat) wahr sechs vnd zwantzig tausend vierhundert vnd drey Viertheil einer Ehlen / die Lenge wie ich bereits gesagt / war 6. grosser Meilen vnd anderthalb Viertheil / 56. Schritt / vnd war derselbe lange / hohe vnd dicke Wall / über die massen kunstreich gemachet vnd auffgesetzet / von lauter / lauter / lauter Todtenköpffen / vnd sagten mir die Leute desselben ohrtes vor gewisse / daß das die Köpffe wehren der Scythischen Kriegesleute / welche E[wer] Gnaden in der gewaltigen Schlacht hette zu tode geschlagen / ich sähe auch augenscheinlich / wie der gedachte Blutfluß noch täglich viel 100000. solcher Köpffe ans Landt schlug / so alle noch von dem Volcke wahren; Da gedachte ich bey mir selber / es müste da eine ohnzehliche Meng Volckes bey einander gewesen seyn / daß sie auch nur allein von den Köpffen / einen so erschrecklichen übergrossen Wall gemachet hatten!

PERSEUS. Ja freilich mein getrewster Lurco, daß kanstu leichtlich erachten / daß es eine erschreckliche Menge Volckes gewesen / denn ich von glaubwürdigen Leuten gahr gewisse Nachrichtung habe / daß / wie der Scythier König den Krieg hat an fangen wollen / er bald im ersten Viertheil Jahres 20. Musterschreiber bestellet / die sich denn niedergesetzet vnd[148] 6. gantzer Jahr / die Nahmen der Geworbenen Soldaten ins Register gebracht / deren denn so vnzehlich viel gewesen / daß sie auch nur bloß mit solchen Nahmen 200. Rieß Pappier gefüllet haben.

LURCO. Gnedigster Herr / davon habe ich auch gehöret / aber E[wer] Gnaden jrren sich in der Zahl.

PERSEUS. Was sagstu Lurco? Wiltu mich lügen straffen.

LURCO. Nein Durchleuchtigster Printz / E[wer] G[naden] verstehen mich nicht recht / es sein 400. vnd etliche 60. Rieß Pappier gewesen / auff welches sie 375. Ohmen Dinte verschrieben / vnd sagt man vor gewiß / daß so viel Gense / als auff einem Raum 50. Meilen lang vnd breit stehen mügen / haben müssen herhalten ümme Federen willen / welche die Musterschreiber gebrauchet haben / vnd sol doch alle diese Gense ein eintziges Dorff / welches kaum 30. Häuser hat / dazu contribuiret haben / ich bin selber im Dorffe gewesen / vnd habens mir die Leute darinne also erzehlet.

PERSEUS. Ey ja mein getrewster Lurco, du magst es also selber hören / vnd kanst auch leichtlich deinem Verstande nach abnehmen / welche eine vngläubliche Menge Volckes es gewesen / die ich mit meiner streitbahren Faust danieder geleget habe. Demnach schwere ich abermahl bey dem allerhöchsten KriegesGott Marte, daß / so bald ich über die Römer komme / werde ich sie wie die Kornhalm vnd dünnes Graß herunter meien / so / daß auch grosse vnd gewaltige Berge von jhren Knochen sollen auffgeschüttet werden.

LURCO. Daran ist wol durchauß nicht zu zweifelen / ich dörffte (gnedigster Herr) bey meinen höchsten Ehren schweren / daß die hochmühtige Römer von E[wer] G[naden] derogestak werden empfangen werden / daß sie in Ewigkeit nicht[149] mehr gelüsten wird / mit dem Macedonischen Helden Kriege zu führen / ich wolte ma foi, auch wol tapffer mit drauff schlagen / aber doch / weit davon ist gut vor den Schuß.

PERSEUS. Ja du Lurco, du schlegst dich lieber mit einer guten Kannen Weins / vnd einem kalten Schöpsbraten / doch daß muß auch seyn. Derowegen so gehe nun bey Zeiten hin vnd bestelle vns ein köstliches Mahl / daß wir essen / trincken / spielen / tantzen vnd frölich seyn / ich aber wil mich vnter dessen hinein verfügen / zu sehen ob nicht etliche frische Regimenter des newgeworbenen Kriegesvolckes ankommen seyn / damit selbige bey Zeiten gemustert werden.

LURCO. Gnedigster Herr / E[wer] F[ürstlicher] G[naden] Befehlich wil ich mit höchsten fleiß nachzukommen wissen / es sol alles auff das herlichste vnd prechtigste zugerichtet werden. Perseus gehet ab.

LURCO ad Spectatores. Nun wollan / er gehet hinein / ist mir lieb / daß er nicht lenger hie blieben / weil er diesen Tag / gar zu grosse / grobe / dicke / feiste vnd erschreckliche Lügen spendieret / daß ich auch die zeit meines Lebens von keinem eintzigen Menschen solche greuliche Auffschneidereien gehöret / pfui den Teuffel / wie erbärmlich hat er gelogen / Aber jhr Herren verwundert euch darüber nur nicht zu sehr / es ist allezeit seine Gewonheit / er macht es auch noch wol gröber; Aber was düncket euch Messieurs, habe ich jhm nicht tapffer geholffen? Jch mus pour dieu nicht anders reden alß er thut / sonsten gienge alle meine Gratia bey jhm in ducas. Aber war daß nicht eine erschreckliche / grobe / feiste vnnd vnerhörte Lügen / die er vorbrachte von seiner Tapfferkeit vnd Ritterlichen Thaten im Scythischen Kriege von jhm begangen / wie er eine so greuliche menge Volckes erschlagen / da ich doch gar gewisse[150] weiß / daß er zeit seines Lebens das Landt Scythiam mit Augen nicht gesehen / vielweiniger Kriege darinne geführet hat. Vber daß alles ist er eines verzagten Gemühts / ich wolte jhn mit einem rauchen Peltze verjagen / noch hat er gantze Ströhme von Blutte gemachet / vnnd fiel mir zu allem Glücke die brave Lügen ein / daß ich auff dem Blutstrohm / (der doch in der gantzem Welt nicht zu finden) geschiffet hatte / vnd den grossen Wall von Todtenköpffen gesehen / ich bin auff mein Seel mein lebtag in Scythia nicht gewesen / weiß auch nicht was es vor ein Landt ist / oder wo dasselbe gelegen. Vnd wunderte es mich nicht ein geringes / daß er mir solche vnerhörte Lügen bekrefftigen halff / vnnd dieselbe wahr machen wolte / mit den 20. Musterschreiberen die die Namen der Soldaten kaum in 6. Jahren konten verzeichnen / auch drüber so viel 100. Rieß Pappier vnd 300. Ohmen Dinten verschrieben hatten. Messieurs, könnet jhr daß wol gleuben? Jch gleube es auff mein Seel nicht. Aber wenn ers gleich mit seinen Lügen noch zehenmahl gröber machete / wolte ich ihm doch gleichwol allezeit helffen / denn ich habe fürwahr keinen Schaden dabey / er vnterhelt mich pour dieu stahtlich / ich fresse vnd sauffe täglich mit jhm / vnd kehr mich nichtes daran / ob gleich die Leute sagen / ich sey ein Schmarotzer vnd Tellerlecker / O daß Tellerlecken bekompt mir vber alle massen wol: Wenn ich nicht mit Fuchsschwäntzen handelte / so wehre ich ein armer Teuffel / die Warheit muß man zu diesen Zeiten spahren / vnd sich dapffer mit Lügen behelffen / jhr Herren versuchts nur / jhr werdet mir recht geben. Aber nun ist es zeit / daß ich gehe / das Panquet anrichten zu lassen / damit es ja nicht gebreche / an den delicatesten Speisen / lieblichsten Weinen / schönen Weiberen / anmuhtigen Music etc: daß wir vnserer täglichen Gewonheit nach lustig vnd frölich seyn.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 144-151.
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