[222] Maria. Gabriel. Christus.
MARIA.
Wie bey entstandnen sturm der winden
Das schifflein kan kein Ruhstandt finden,
Wie dises auf dem weithen Meer
Stetts wird getriben hin, und her.
So eben ist auch mir zu herzen,
Baldt fühl ich hoffnung, und baldt schmerzen,
Ich habe weder Ruh, noch rast,
Und bin mir selbst zum überlast.
Jezt, wan ich meines sohns gedencke,
Ich mich ab seinen Creuz todt kränke,
Gleich hemm ich widrum dise klag,
Und tröst mich auf den 3ten tag.
Jedoch er ist schon angebrochen,
So komm, o herr! wie du versprochen.
Komm, und mein seel in dir erquikh
Mich schmerzt ein jeder augenblickh.
Kein hirsch so schnell dem brunn zu rennet,
Als meine seel sich nach dir sennet.
GABRIEL.
O mutter gottes sey gegrüßt,
Sech nun wird dir dein leyd versüßt.
Der, den du in dem leib getragen,
Und neulich wurd ans Creuz geschlagen,[222]
Ist als ein sigreich starker gott
Nunmehr erstanden von dem todt.
Er hat die bandt des todts zerbrochen,
Und alle wuth der höll gerochen,
Das menschliche geschlecht erlöst,
Maria sey nunmehr getröst.
Gehet ab.
MARIA.
Wie? hab ich meinen sohn gefunden?
Wo ist er? ach! er ist verschwunden.
War es ein Traum? ich hab gewacht,
Da man mir diesen trost gebracht.
Ach Jesu! ach laß dich doch finden.
CHRISTUS.
Laß Mutter! deinen kumer schwindten,
Dein trost ist hier, das leyd ist hin
Du sichst das ich lebendig bin.
MARIA kniet nider.
Bist du mein Sohn? mein gott! zu gegen,
Laß mich zu deinen süßen legen,
Vergib das sennen deiner magdt
Das sie nach dir imm herzen tragt.
Du weist, wie ich dich stätts geliebet,
Du weist, wie mich dein todt betrüebet,
Auf disem meß die freyd jezt ab,
Die ich ab deiner Urständt hab.
Nun will ich ja mit freyden sterben,
Weill du mir laßt die gnad erwerben,
Das ich dir noch in disem lebn,
Könn deines lebens zeugnus gebn.
CHRISTUS.
Steh auf, o Mutter! auf das leyden
Gebühren dir zuerst die freyden,
So aus der urständt jedermann
Der an mich glaubt jezt schopfen kan.
Du sichst an mir, wie alle wunden
Nunmehro ganzlich seindt verschwunden,
Nur 5 behalt ich in dem Leib,
Damit das angedenken bleib.
Damit ein jeder könne sehen,
Was vor ein werckh durch mich geschehen,[223]
Das ich die weldt erlöst: mithin
Das ich der wahre Jesus bin.
Auch hat schon meinen sig empfunden,
Die höll, das ich ihr macht gebunden,
Ja alle Vätter seindt getröst,
Die ich aus ihrer grufft erlöst.
Der ewig todt ligt auch in banden,
Die sindt hat gleichfahls nichts beyhanden,
Wo mit sie den bemaklen kan,
Der ihr nicht willig unterthan.
Sech nun, zu was du mich gebohren,
Erzohen, und am Creuz verlohren,
Sech, ob du nach vollendter pein
Noch fihrohin kanst traurig sein.
Nun will ich auch, die meinentwillen
Betriebt gewest, mit trost erfillen.
Mein Mutter! sey nunmehr erquikt
Und preise stätts was gott geschikt.
Gehet schnell ab.
MARIA.
Wie ist Maria dir zu herzen,
Wo seindt auf einmahl deine schmerzen?
Sie seindt nun alle gänzlich hin,
Ich weis vor freyd nicht, wo ich bin.
O gott! ich kan den trost nicht fassen,
Den mir dein anblickh hinterlassen.
Zu vor gab ich dem leyd mich blos,
Nun ist der Jubl noch so gros.
Ja ja mein seel mach gros den herren
Befreye dich in seinen ehren,
Lobpreis den überflus der gnad
Mit der er dich erfillet hat.
Gehet ab.
Buchempfehlung
»Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.« Adolph Freiherr von Knigge
276 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro