|
[293] Einen Haushalt klein und fein
Hab' ich angestellt;
Der soll mein Freund sein,
Dem er wohlgefällt.
Der Specht, der Holz mit dem Schnabel haut,
Hat das Haus mir aufgebaut;
Daß das Haus beworfen sei,
Trug die Schwalbe Mörtel bei,
Und als Dach hat sich zuletzt
Obendrauf ein Schwamm gesetzt.
Drinnen die Kammern
Und die Gemächer,
Schränke und Fächer
Flimmern und flammern;
Alles hat mir unbezahlt
Schmetterling mit Duft bemalt.
O wie rüstig in dem Haus
Geht die Wirtschaft ein und aus.
Wasserjüngferchen, das flinke,
Holt mir Wasser, das ich trinke;
Biene muß mir Essen holen,
Frage nicht, wo sie's gestohlen.
Schüsseln sind die Eichelnäpfchen,
Und die Krüge Tannenzäpfchen,
Messer, Gabel,
Rosendorn und Vogelschnabel.
Storch im Haus ist Kinderwärter,
Maulwurf Gärtner,
Und Beschließerin im Häuslein
Ist das Mäuslein.
Aber die Grille
Singt in der Stille,[294]
Sie ist das Heimchen, ist immer daheim
Und weiß nichts als den einen Reim.
Doch im ganzen Haus das Beste
Schläft noch feste.
In dem Winkel, in dem Bettchen,
Zwischen zweien Rosenblättchen,
Schläft das Schätzchen Tausendschönchen,
Ihr zu Fuß ein Kaiserkrönchen.
Hüter ist Vergißmeinnicht,
Der vom Bette wanket nicht;
Glühwurm mit dem Kerzenschimmer
Hellt das Zimmer.
Die Wachtel wacht
Die ganze Nacht,
Und wenn der Tag beginnt,
Ruft sie: »Kind! Kind!
Wach' auf geschwind.«
Wenn die Liebe wachet auf,
Geht das Leben raschen Lauf.
In seidnen Gewändern,
Gewebt aus Sommerfaden,
In flatternden Bändern,
Von Sorgen unbeladen,
Lustig aus dem engen Haus
Die Flur hinaus.
Schönen Wagen
Hab' ich bestellt,
Uns zu tragen
Durch die Welt.
Vier Heupferdchen sollen ihn
Als vier Apfelschimmel ziehn;
Sie sind wohl ein gut Gespann,
Das mit Rossen sich messen kann;[295]
Sie haben Flügel,
Sie leiden nicht Zügel,
Sie kennen alle Blumen der Au'
Und alle Tränken von Tau genau.
Es geht nicht im Schritt;
Kind, kannst du mit?
Es geht im Trott!
Nur zu mit Gott!
Laß du sie uns tragen
Nach ihrem Behagen;
Und wenn sie uns werfen vom Wagen herab,
So finden wir unter Blumen ein Grab.
Ausgewählte Ausgaben von
Erzählungen
|
Buchempfehlung
Bereits 1792 beginnt Jean Paul die Arbeit an dem von ihm selbst als seinen »Kardinalroman« gesehenen »Titan« bis dieser schließlich 1800-1803 in vier Bänden erscheint und in strenger Anordnung den Werdegang des jungen Helden Albano de Cesara erzählt. Dabei prangert Jean Paul die Zuchtlosigkeit seiner Zeit an, wendet sich gegen Idealismus, Ästhetizismus und Pietismus gleichermaßen und fordert mit seinen Helden die Ausbildung »vielkräftiger«, statt »einkräftiger« Individuen.
546 Seiten, 18.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro