|
[26] In der hohen tag oder morgenweis Hans Sachsen.
1518.
1.
Es ruft ein wachter faste:
»des hohen tages glaste
dringet von orient,
die nacht gen occident sich lent,
es nahet gen dem morgen.
Darum, du fremder gaste,
alhie nit lenger raste,[26]
von deiner lieb dich went
und mach dich aus der burg behent
gar heimlich und verborgen.
Mein her leit in dem sale
in seines schlafes quale,
der gen dem tag aufstet,
und so er hie begreifen tet
dich und die hochgeboren,
die er im hat erkoren,
do er die fünt geschmecht,
durch sein urteil und scharfes recht
het ir den leib verloren,
dem seinen schwinden zoren
ir nit entrinnen mecht,
wan er stürzet euch beide schlecht
ab in das tiefe tale,
dan würt euch freude schmale.
darum weich aus dem bet,
bewar dich und dein lieb vor net,
du stehst in schweren sorgen.«
2.
Wer ist der küne helde,
der sich hat zugeselde
dem zarten freuelein?
mensch, merk, das ist der leibe dein;
ist auf der burg entschlafen
In sünden manigfelde;
das freulein auserwelde
bedeut die sele rein,
die got hat nach dem bilde sein
gar adelich erschafen.
Der wachter an der zinnen
ist die vernunft mit sinnen:
»wach auf!« so ruft er drat:
»wach auf von sünden, es ist spat.
vergangen ist dein zeite,
der tot ist dir nit weite,[27]
bedeut des tages licht.
got ist der her, ich hie bericht,
der in dem sal noch leite
seiner barmherzikeite,
wart auf gut zuversicht.
darum zu reu, beicht, buß dich pflicht.
dardurch magstu entrinen,
kumen frolich von hinen,
e dich erschleicht der tot.
und folgest du nit weisem rot,
leib und sel wirt got strafen.
3.
Merk, so in sünden diche
der grimme tot erschliche,
zuhant erwachet got
mit der gerechtikeite drot
funt er euch dan beflecket,
Das selb er an euch riche,
stürzet euch schnelikliche
in den ewigen tot,
der fal ewig kein ende hot;
kein reu euch darnach klecket;
Sunder in dem gefilde
ist alle freud ganz wilde.
der fal ist also tif;
kein lebent herz die pein begrif,
merkt: der verdamten schare
gotlichen anblick klare
sehen sie nit ewick;
wan sie dunket ein augenblick
wol hundert tausent jare.
sünder, nim der straf ware!
und lös dein schlaf, dich schick
und lös dich aus der sünden strick.«[28]
Maria, junkfrau milde,
du senftmütiges bilde,
so ich in sünd entschlif,
mit der genaden stim mir rif,
das ich wir aufgewecket.
Buchempfehlung
»Was mich einigermaßen berechtigt, meine Erlebnisse mitzuteilen, ist der Umstand, daß ich mit vielen interessanten und hervorragenden Zeitgenossen zusammengetroffen und daß meine Anteilnahme an einer Bewegung, die sich allmählich zu historischer Tragweite herausgewachsen hat, mir manchen Einblick in das politische Getriebe unserer Zeit gewährte und daß ich im ganzen also wirklich Mitteilenswertes zu sagen habe.« B.v.S.
530 Seiten, 24.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro