Der arm kriechisch poet

[262] In der schallweis Hans Vogels.


10. juli 1548.


1.

Keiser Augustus het

lieb glerte leut und tet

auch an der stet[262]

sie all reichlich begaben;

Derhalb in die stat Rom

manch glerter man auch kom,

die er annom,

tet groß freud mit in haben.

Einsmals aus Kriechenlant

ein poet hochgeleret

gen Rom bracht sein gedicht,

darin er zugericht

het kunstlich mit verstant

des keisers wird und lob,

het das weit ob

andern weisen gemeret.


2.

Als der keiser fur spat

spaziren in der stat,

balt zu im trat

der poet obgenande;

Dem keiser sein gedicht

auf kriechisch zugericht

zu angesicht

reichet mit eigner hande.

Dem keiser gfiel die kunst

und merkt wol sein armute,

doch sich sein nichs annum,

sunder macht widerum

vier kriechisch vers, aus gunst

winkt dem poeten her,

dem schenket er

auch sein gedicht recht gute.


3.

Als der poet nun das

gedicht des keisers las,

griff er fürbas

bald in sein taschen alde,[263]

Zwen silbren pfenig gab

zu schenk dem keiser grab:

»nit mer ich hab,

sprach er, in meinem gwalde;

Wo ich aber mer het,

so wolt ich dir mer geben.«

der keiser lacht der schwenk,

groß vererung und schenk

disem poeten tet.

o, lebt der keiser noch,

die kunst würt hoch –

spricht Plutarchus – ob schweben.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 262-264.
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