Der waltbruder mit dem esel, der argen welt tut niemant recht

[48] Vor jaren wont in einem walt

ein waltbruder, an jaren alt,

der sich der wurzeln neren tet;

derselb ein jungen sune het,

in dem alter bei zweinzig jarn,

der war einfeltig, unerfarn,

der fragt den alten: sag doch mir,

sint in dem walt gewachsen wir?

wan er nie menschen het gesehen.

der alt tet zu dem jungen jehen:

mein sun, da du noch warest klein,

hab ich dich geflehet herein[48]

aus der arglisting, bösen welt,

das sie uns nit schmech, spott und schelt,

weil ir gar niemant recht kan tan,

sie schlag im doch ein blechlein an.

still schwig der sun, doch tag und nacht

des vatters red stets nachgedacht,

was doch die welt nur möcht gesein.

zu letzt da wolt er ie darein,

legt an den vatter große bit,

der es doch lang zeit widerriet;

zu letzt er überredet wart

und macht sich mit im auf die fart,

und fürten iren esel mit

ledig, ir keiner darauf rit.

im walt bekam in ein kriegsman,

der sprach: wie laßt ir ledig gan

den faulen esel hie allein?

ir dunkt mich nit fast witzig sein,

das euer keiner darauf reit.

als sie nun von im kamen weit,

der vatter sprach: mein sun, sich zu,

wie uns die welt empfangen tu.

der sun sprach: laß mich darauf reiten.

das gschach, da kam zu in von weiten

ein altes weib neben die ecker,

die sprach: secht zu dem jungen lecker,

der reit, und der alt schwache man

muß hindennach zu füßen gan!

sun, sprach der alt, glaubst du nun mir,

was von der welt ich saget dir?

er sprach: laß uns versuchen baß.

der jung balt von dem esel saß,

und saß der alt balt auf für in,

reit also fuß für fuß dahin.

in dem begegnet in ein bauer,

der redt sie an mit worten sauer:[49]

secht an den alten groben lappen,

leßt den jungen im kot her sappen,

dem nöter wer zu reitn dan im.

der alte sprach: mein sun, vernim,

das man der welt nit recht mag tun.

der sun sprach: vatter, laß mich nun

aufsitzen, das wir reiten bed,

schau, ob die welt darzu auch red.

aufsaß er und ritten dahin;

da kam ein bettelman zu in,

tet an einr wegscheid auf sie harrn

und sprach: secht an die großen narrn,

wöllen den esel gar erdrücken!

der vatter sprach: in allen stücken

tut uns die welt mit hönwort schmitzen.

der sun sprach: laß uns beid absitzen,

so wöllen wir den esel tragen,

was nun die welt darzu wil sagen.

absaßen sie, den esel trugen

und mit im übers felt hinzugen,

das von in beiden ran der schweis.

ein edelman kam zu der reis,

tet sie all beid mit worten straffen:

wann her, wannen her, ir schlauraffen,

das ir das hinder kert herfür?

der vatter sprach: mein sun, hie spür,

das an der welt ist gar verlorn.

da sprach der sun in großem zorn:

den esel wöllen wir erschlagen,

denn hat die welt nit mer zu klagen.

den esel schlugen sie zu haufen;

da kam ein jäger zugelaufen,

der schrei: o ir großen fantasten,

des esels gneußet ir am basten

lebend, tot ist er euch kein nütz.

zuhant der junge wart urdrütz[50]

der welt, die in mit spot und straf

so gar an allen orten traf,

sprach: hat die welt auf einen tag

über uns balt so vil der klag,

solt wir denn all tag darin bleiben,

was wunders würt sie mit uns treiben!

und keret mit dem alten dar

in walt, daraus er kommen war.


Der beschluß

Nun merk bei diser alten fabel,

gedicht uns zu einer parabel,

das, wer in diser welt wil leben,

der muß sich ganz und gar ergeben,

das er der welt nit recht kan tan,

in allem was er fahet an,

wie er darzu sich immer stell,

er sei darzu auch, wer er well,

wie hoch von adel, gschlecht und stam,

wie wirdig von geburt und nam,

wie reich, wie weis und wolgelert,

wie gwaltig, groß und hochgeert,

wie nütz, wie lieblich und fürsichtig,

wie warhaft, stanthaft und aufrichtig,

wie tugenthaft, treu und gerecht,

wie bescheiden, wie from und schlecht,

wie züchtig, still, sitlich, demütig,

wie freundlich, leutselig und gütig,

wie milt, barmherzig und gutwillich,

wie künstlich, glückhaft und wie billich,

wie tapfer, glimpfig und kurzweilig,

wie meßig, geistlich und wie heilig;

und wer ganz engelisch sein wandel,

und wer so christlich all sein handel,

und het in got selber geadelt:

dennoch blib er nit ungetadelt[51]

von diser unverschemten welt,

in allen stücken obgemelt;

die welt ir maul doch mit im bert

und als in arges im verkert,

sie lestert, schmecht, schendt und veracht,

rechtfertigt, spottet und verlacht

und urteilt, sam sei sie unsinnig,

töricht, tobet, wütig und winnig

und leßt nichts ungetadelt bleiben.

wer sein zeit muß darin vertreiben,

der muß sich nit anfechten lan,

das er der welt nit recht kan tan,

sonder ge immer für sich hin

den nechsten weg und bleib darin,

und tu iedem, wie er denn wolt,

als im von iem geschehen solt,

das sein gewißen in nit nag;

got geb, was die welt darzu sag,

ir schnöde art behelt sie doch,

wie sie vor war, beleibt sie noch,

so spitzig bleiben ire werk,

das spricht Hans Sachs von Nürenberk.


Anno salutis 1531. am 6. tag Mai.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 48-52.
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