Des Mädchens Klage

Der Eichwald brauset,

Die Wolken ziehn,

Das Mägdlein sitzet

An Ufers Grün,

Es bricht sich die Welle mit Macht, mit Macht,

Und sie seufzt hinaus in die finstre Nacht,

Das Auge vom Weinen getrübet.


»Das Herz ist gestorben,

Die Welt ist leer,

Und weiter gibt sie

Dem Wunsche nichts mehr.

Du Heilige, rufe dein Kind zurück,

Ich habe genossen das irdische Glück,

Ich habe gelebt und geliebet!«


Es rinnet der Tränen

Vergeblicher Lauf,[409]

Die Klage, sie wecket

Die Toten nicht auf,

Doch nenne, was tröstet und heilet die Brust

Nach der süßen Liebe verschwundener Lust,

Ich, die himmlische, wills nicht versagen.


»Laß rinnen der Tränen

Vergeblichen Lauf,

Es wecke die Klage

Den Toten nicht auf,

Das süßeste Glück für die traurende Brust,

Nach der schönen Liebe verschwundener Lust,

Sind der Liebe Schmerzen und Klagen.«


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 1, München 31962, S. 221-222,409-410.
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