Vierzehnter Auftritt

[683] Davison zu den Vorigen.


ELISABETH.

Das Urteil, Sir, das ich in Eure Hand

Gelegt – Wo ists?

DAVISON im höchsten Erstaunen.

Das Urteil?

ELISABETH.

Das ich gestern

Euch in Verwahrung gab –

DAVISON.

Mir in Verwahrung!

ELISABETH.

Das Volk bestürmte mich, zu unterzeichnen,

Ich mußt ihm seinen Willen tun, ich tats,

Gezwungen tat ichs, und in Eure Hände

Legt ich die Schrift, ich wollte Zeit gewinnen,

Ihr wißt, was ich Euch sagte – Nun! Gebt her!

SHREWSBURY.

Gebt, werter Sir, die Sachen liegen anders,

Die Untersuchung muß erneuert werden.

DAVISON.

Erneuert? – Ewige Barmherzigkeit!

ELISABETH.

Bedenkt Euch nicht so lang. Wo ist die Schrift?

DAVISON in Verzweiflung.

Ich bin gestürzt, ich bin ein Mann des Todes!

ELISABETH hastig einfallend.

Ich will nicht hoffen, Sir –

DAVISON.

Ich bin verloren!

Ich hab sie nicht mehr.

ELISABETH.

Wie? Was?

SHREWSBURY.

Gott im Himmel!

DAVISON.

Sie ist in Burleighs Händen – schon seit gestern.

ELISABETH.

Unglücklicher? So habt Ihr mir gehorcht,

Befahl ich Euch nicht streng, sie zu verwahren?

DAVISON.

Das hast du nicht befohlen, Königin.[683]

ELISABETH.

Willst du mich Lügen strafen, Elender?

Wann hieß ich dir die Schrift an Burleigh geben?

DAVISON.

Nicht in bestimmten, klaren Worten – aber –

ELISABETH.

Nichtswürdiger! Du wagst es, meine Worte

Zu deuten? Deinen eignen blutgen Sinn

Hineinzulegen? – Wehe dir, wenn Unglück

Aus dieser eigenmächtgen Tat erfolgt,

Mit deinem Leben sollst du mirs bezahlen.

– Graf Shrewsbury, Ihr sehet, wie mein Name

Gemißbraucht wird.

SHREWSBURY.

Ich sehe – O mein Gott!

ELISABETH.

Was sagt Ihr?

SHREWSBURY.

Wenn der Squire sich dieser Tat

Vermessen hat auf eigene Gefahr,

Und ohne deine Wissenschaft gehandelt,

So muß er vor den Richterstuhl der Peers

Gefodert werden, weil er deinen Namen

Dem Abscheu aller Zeiten preisgegeben.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 683-684.
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