In der Fremde

[257] Oft hab' ich dich rauh gescholten

Muttersprache, so vertraut!

Höher hätte mir gegolten

Südlicher Sirenenlaut.


Und nun irr' ich in der Ferne

Freudenlos von Ort zu Ort,

Und vernähm', ach wie so gerne!

Nur ein einzig deutsches Wort.


Manches regt sich mir im Innern,

Doch wie schaff' ich hier ihm Luft?

All mein kindliches Erinnern

Findet in mir seine Gruft.


Einsam schweif' ich in die Felder,

Such' ein Echo der Natur;

Aber Bäche, Winde, Wälder

Rauschen fremd auf dieser Flur.


Unverstanden, unbeachtet,

Wie mein deutsches Lied verhallt,

Bleibt es, wann mein Busen schmachtet,

Und in bangem Sehnen wallt.

Quelle:
August Wilhelm von Schlegel: Sämtliche Werke Band 1, Leipzig 1846, S. 257-258.
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