Fünfte Romanze

[111] Von Pamplona sendet Boten

Agolant' an Kaiser Karl,

Daß er seiner da will warten,

Fordert kecklich ihn zur Schlacht.

Da berief der fromme Kaiser

Aus dem weiten Frankenland

Alle seine treuen Mannen,

Ritter, Knechte, reich und arm.

Wer verschuldet, wer verpfändet,[111]

Dessen Schuld und Pfand er zahlt,

Alle Fehden er befriedet,

Manchem er die Fesseln brach.

Allen, die der Waffen kundig,

Schönes Ritterzeug er gab,

Die zum Dienste gern gekommen,

Sprach Turpin der Sünden bar.

Hundert vier und dreißig tausend

Waren Ritter in der Schar,

Die mit Karl gen Spanien zogen,

Und das Fußvolk ohne Zahl.

Und nun hört die hohen Namen

Jener Helden, deren Glanz

Hell vor allen andern leuchtet

Auf der Ritterehre Plan.

Roland, Karles Schwester Sohn

Wird mit recht zuerst genannt;

Der die Heere weislich führte,

In Guyenn' ein hoher Graf.

Arastagnus von Bretagne,

Ogier von der dän'schen Mark,

Oliver und Balduinus,

Der des Rolands Bruder war.

Engeler von Aquitanien,

Herr der alten Kaiserstadt,

Die seit immer wüst gelegen,

Nach der Schlacht bei Roncisvall.

Samson, Herzog der Burgunden,

Constantin aus Griechenland,

Dann Reinold von Alba Spina,

Der manch Abenteu'r vollbracht.

Ivo, Dietrich und Gaiferus,

Der zu Bordeaux König war,

Dann der Mainzer Ganelone,

Der fiel nachher in Verrat.

Dieses sind die hohen Helden,

Kämpfer, mächtiger im Kampf,

Als die mächtigsten der Erde,

Christi tapfre Ritterschar.

Denn, wie mit den zwölf Aposteln

Christus sich die Welt gewann,

So erobert Karl mit diesen[112]

Gott zum Ruhm das span'sche Land.

Weit und breit, auf Berg' und Täler,

Lagern sie sich ohne Zahl

Bei der Heidenburg, die wieder

Aufgebaut noch fester stand.

Als gerastet bei Pamplona

Froh sie schon den achten Tag;

Da entbeut dem Sultan Botschaft

Streng gebietend Kaiser Karl:

Daß er sich ergeben solle

All' die Seinen und die Stadt,

Oder auszurücken komme,

Zu entscheiden in der Schlacht.

Agolante wählt zu schlagen,

Daß nicht herber Tod und Schmach

In der Stadt zuletzt ihn träfe,

Die er ohne Rettung sah.

Bis die Heere sind geordnet,

Fordert er Geleit von Karl,

Den zu sprechen er begehrte

Vor der Burg im grünen Tal.

Bald mit sechzig hohen Rittern

In das Tal der Sultan kam,

Wo in aller Fürsten Mitte

Zürnend Karol zu ihm sprach:

»Du bist also der Aglante,

Der mein Land mir böslich nahm,

Spanien, Baskla, die erobert

Ich durch Gottes starken Arm?

Christi Glauben folgten alle,

Waren Christ schon untertan,

Die mit Wüten du ermordet,

Als ich fern in Gallien war.

Hast die Burgen mir zerstöret,

Wild verwüstet manche Stadt,

So mit Schwert als grausem Feuer.

Das sei Gott anjetzt geklagt.« –

Staunend seine Sprach' erkannte,

Da er Karles Wort vernahm,

Agolante, weil der Kaiser

In arab'scher Zunge sprach,

Die er einstens wohl gelernet,

Als er bei Galafrus war.[113]

Lange stand gesenkten Hauptes

Agolante, bis er fragt:

»Wie dir jenes Land gebühre,

Das sei endlich mir gesagt,

Wo dein Vater nicht, noch keiner

Deiner Ahnen König war?« –

»Weil der Herr und unser Heiland,«

So erwidert Karl alsbald,

»Der so Erd' als Himmel schuf,

Christus uns das anbefahl,

Unser Volk vor allen wählte,

Weit zu herrschen überall;

Darum macht' ich deine Heiden

Unserm Glauben untertan.« –

»Diente unser Volk dem deinen,«

Sprach der Sultan, »wär' es Schmach;

Denn viel besser als der eure

Ist ja unser Glaube klar.

In Mahoma leben, glauben,

Durch den herrschen wir fürwahr,

Denen er durch seine Geister

Selbst die Zukunft offenbart.« –

»O wie irrst du,« sprach der Kaiser,

»Wir nur tun, was Gott befahl;

Ihr folgt eitler Menschensatzung

Und verehrt der Hölle Schar.

An den Vater, Sohn und Geist

Glauben wir, und wir empfah'n

Dort des Paradieses Freuden,

Während ihr zur Hölle fahrt.

Drum, daß unser Glaube besser,

Ist wohl jedem Auge klar;

Schlimmen Todes mußt du sterben,

Oder gleich die Tauf' empfah'n.« –

»Das sei ferne,« sprach der Heide,

»Daß ich durch so falsche Tat

Meinen Gott Mahoma ließe,

Der allmächtig überall.

Drum so lass' uns mannlich streiten,

Und das sei des Streits Vertrag,

Wessen Glaube besser wäre,

Der siegt ob in dieser Schlacht.

So nun ihr den Sieg gewinnet,[114]

Ew'gen Ruhm ihr dessen habt;

Und daneben, so ich lebe,

Nehm' ich gleich die Taufe an.«

Also sprach der wilde Heide;

Gern folgt Karol seinem Rat.

Zwanzig Christen, zwanzig Heiden

Kämpfen nun nach dem Vertrag.

Doch die Sarazenen fallen,

Sind getötet allesamt,

Und zum andernmale vierzig,

Eine auserlesne Schar.

Hundert werden gegen hundert

Nun zum dritten ausgesandt.

Furcht ergreift der Christen Herzen,

Drum hat sie der Tod gefaßt.

Denn wie Christi fromme Kämpfer,

Wenn im Streit sie werden laß,

All des Heils verlustig, sinken

In des ew'gen Todes Qual;

(Wer nicht redlich kämpfet, heißt es,

Solchen lohnet nie der Kranz;)

So hat die das Schwert getroffen,

Weil sie in dem Streit verzagt.

Zweimal hundert Sarazenen

Und von Christen gleiche Zahl,

Wieder tausend gegen tausend,

Ziehen kühnlich in den Kampf.

Da die Heiden unterliegend

Nun getötet beidemal,

Streitens müde, Agolante

In der Christen Lager kam,

Schwöret, daß ihr Glaube besser

Augenscheinlich sei, und wahr,

Will mit seinem Volk die Taufe

Andern Tages schon empfah'n.

Um die hohe Mittagsstunde

Agolant' am andern Tag

Kam gezogen zu dem Kaiser,

Den er eben speisend traf.

Hohe Gäst' an reichen Tischen

Sieht er manchen sitzen da,

Ritterlich geschmückt die einen,

Andre weiß und andre schwarz.[115]

Wer die hohen Gäste seien,

Staunend er den Kaiser fragt. –

»Jene dort im weißen Kleide

Sprechen uns der Sünden bar,

Das sind unsers Glaubens Priester,

Machen Gottes Wort uns klar.

Doch noch heil'ger sind die andern,

Beten für uns Tag und Nacht.« –

Auf der niedern Erde sitzen

Drauf der Heidenkönig sah

Dreizehn Männer ärmlich speisend

Im zerrissenen Gewand.

»Wer sind jene dort im Winkel

Im zerrissenen Gewand,

Die am Boden ärmlich speisen?«

Rasch der Heidenkönig fragt. –

»Das sind Arme, Gottes Leute,

Gleich wie der Apostel Zahl,

Die wir speisen, die wir tränken

Gott zu Liebe, Tag für Tag.« –

»Herrlich speisest du die Deinen,«

Spricht der Heide drauf zu Karl;

»Doch sind diese Gottes Leute,

Tust du Gott wohl große Schmach.

Wohl nun seh' ich, wie dein Glaube,

Den du rühmtest, schlecht und falsch;

Drum so geh' ich zu den Meinen,

Will die Taufe nicht empfah'n.« –

Eilend ging er mit den Worten.

Und der Kaiser voll von Scham,

Daß, weil jene nicht geachtet,

So viel Volk der Tauf' entsagt,

Läßt die Armen all' berufen,

Ladet herrlich sie zu Gast.

Groß ist wahrlich dessen Sünde,

So der Armen nicht nimmt wahr!

Beide Heere morgens rücken

Wohl gerüstet in den Kampf,

Ihren Glauben zu verfechten

Nach gemeinsamem Vertrag.

Da der Heiden Haufen einer[116]

Nun von fünf gefallen war,

Drängen sich die andern viere

Dicht um König Agolant.

Von den wilden Sarazenen

Mancher schon getötet war,

Aber mitten noch in seinem

Heere Agolante stand.

Jenen Haufen zu umzingeln,

Eilen, da sie das gewahrt,

Jetzt herbei die Christen alle,

Hierher, dorther auf dem Plan.

Mordend zu der Rechten, Linken,

Stürzt Arnold sich durch die Schar,

Bis mit grimmen Schwertes Schlage

Mächtig er den Heiden traf.

Da entsteht ein wildes Schreien,

Alles Agolanten klagt.

Mordend nun von allen Seiten

Stürzt herbei der Christen Schar,

Arastagnus mit den Seinen,

Ogier von der dän'schen Mark,

Galdebod' und Constantin,

Und Arnoldus von Bellant.

Da ward so viel Blut vergossen,

Daß im Blut gegangen ward,

Daß von allen Sarazenen

Keiner an dem Tag entkam.

Nur der König von Sevilien

Flohe glücklich aus der Schlacht;

Altumajor von Corduba

Auch mit Müh dem Tod entkam.

Sehet, weil für Christi Glauben

Kämpft in rühmlichem Vertrag

Kaiser Karl, hat obgesieget

Er den Heiden an dem Tag.

Wer für Christus wacker streitet,

Bis ans End' in guter Tat,

Der wird einst erhöhet werden,

Höher als der Engel Schar.

Einen Haufen wilder Christen,

Der mit Gier manch goldnen Schatz

Raubte in der Heiden Lager,[117]

Hat der Tod alsbald gestraft.

Altumajor von Corduba,

Aus verborgnem Hinterhalt,

Schlug sie wehrlos alle nieder,

Tausend Männer an der Zahl.

Also sollen ew'gen Todes

Sterben, die gesiegt im Kampf

Mit den Lastern, doch von neuem

Sind verlockt in schnöden Fall.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 111-118.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Bozena

Bozena

Die schöne Böhmin Bozena steht als Magd in den Diensten eines wohlhabenden Weinhändlers und kümmert sich um dessen Tochter Rosa. Eine kleine Verfehlung hat tragische Folgen, die Bozena erhobenen Hauptes trägt.

162 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon