|
[193] Canut, Estrithe.
ESTRITHE.
Du zürnest. Ist nun dieß die Würkung meiner Zähren?
Ist dieses nun der Schutz, den du mir sollst gewähren?
Ach! warum hab ich dir des Ulfo Wut entdeckt?
Hat deine Strenge denn so wenig mich geschreckt?
Was hab ich doch gethan? aus Sorge für sein Leben,
Hab ich ihn deinem Zorn zum Opfer übergeben.
CANUT.
Estrithe, fürchte nichts. Er ist durch dich beschützt.
Den fällt kein Zorn von mir, den deine Liebe stützt.
Er soll, ist nicht sein Herz, der Menschheit ganz entrissen,
Da er mich ehren lernt, zugleich mich lieben müssen.
Er fühle nur hierdurch, er sey mein Unterthan,
Er überzeuge sich, daß ich ihn zwingen kann.
Glaub, ich will, um den Trutz des Ulfo zu bezähmen,
Ihn an der Strenge statt durch Güte nur beschämen.
Ja er soll nicht einmal erfahren, was ich weiß.
Sein härtestes Vergehn verberg ich ihm mit Fleiß.
Estrithe, solltest du sein ganzes Herz erst kennen,
Du würdest gegen ihn mich allzugütig nennen.
ESTRITHE.
Ich kenne ja dieß Herz und weiß, wie stolz es ist,
Wie schlecht es deine Huld und seine Pflicht ermißt.
Doch für dieß Herz, daß ich mit Thränen oft bestritten,
Das ich nicht beugen kann, für dieß muß ich noch bitten.
Ich weiß, ohn dein Geboth durch schimpflichen Betrug,
Hat er mein Herz geraubt.
CANUT.
Du weißt noch nicht genug.
ESTRITHE.
Ach! leider! weiß ich wohl, was ich verhindern wollte,
Was ich nicht sagen kann, und ach! doch sagen sollte.
Ach! soll ich Klägerin bey seinem Frevel seyn?
Doch er betrifft ja dich. Ach! soll ich reden? Nein!
CANUT.
Du darfst nur ohne Furcht mit mir von allem sprechen.
Was du dem Bruder sagst, wird nie der König rächen.
Werd ich nicht mehr von dir für diesen Freund geschätzt,
Der alles wissen darf was dich in Sorge setzt,
Dem du, um nicht allein und hülflos dich zu qvälen,
Auch dein geheimstes Leid geruhig darfst erzählen?
Ich merk es allzusehr, ein Kummer martert dich.
Was dein Gemahl auch thut, ja wär es wider mich.
Sprich nur, es bleibt bey mir in tiefen Finsternissen,
Wer nicht zu strafen liebt, muß, was er hört, nicht wissen.[194]
Ich seh, daß dein Gesicht bey diesem Wort erbleicht.
Was du verschweigen willst, das weiß ich schon vielleicht.
Ich weiß, wie irrig ihn sein wilder Ehrgeitz leitet.
Es sagt mir alle Welt, was er mir zubereitet,
Und wie die Ruhmbegier sein stolzes Herz empört,
Das, um nur groß zu seyn, mir stete Feindschaft schwört.
Als wäre dieser Haß zu schön, ihn zu verstecken,
Sucht er sich öffentlich Gehülfen zu erwecken,
Wirbt Feinde wider mich, wo er sie finden kann,
Und kündigt mir den Krieg in meinen Mauern an.
ESTRITHE.
Wahr ists. Sein Fehl ist groß. Doch, Herr! so sehr er wütet,
Ein Thron steht allzufest, den so viel Gunst behütet,
Und sein vergebliches, sein thörichtes Bemühn,
Ist nur zu deinem Ruhm und seiner Schande kühn.
Er suche, wen er kann, zum Aufruhr zu entzünden;
Nennt er sich deinen Feind, wo wird er Freunde finden?
Sein Haß wird gegen dich ohnmächtig und allein
Verabscheut von der Welt und dir verächtlich seyn.
Und wenn ihn Jedermann erstaunt zurücke weiset,
Und statt ihm beyzustehn noch deinen Zepter preiset;
Wenn er aus deiner Huld und deines Volkes Treu,
Gezwungen sehen muß, wie groß sein König sey:
Wie sollt er nicht zuletzt dieß unfruchtbare Hassen,
Dem niemand Beyfall giebt, beschämet fahren lassen?
Du kannst wohl ruhig seyn, so lang ich ruhig bin.
O Himmel, wie viel Qvaal erwart ich bis dahin!
Wie viel wird, eh die Zeit kann diesen Stolz bezwingen,
Mir seine Raserey Verdruß und Zittern bringen!
Wie vielmal werd ich ihm bethränt entgegen gehn,
Und unerhöret seyn, und doch von neuen flehn,
Und wenn ich mit Gewalt dem Unglück ihn entrissen,
Durch meine Marter noch sein Wohl erkauften müssen!
So vieles kostet mir das unglücksvolle Band,
Worein mich sein Betrug ohn meine Neigung wand,
Das ich beweinen muß, und doch aus Pflicht noch liebe,
Das, litt ich auch noch mehr, mir doch stets heilig bliebe:
Wenn einmal unser Herz mit unverfälschter Treu
Ein Bündniß festgestellt, daß es untrennbar sey:
Wie viel ertragen wir um dieses Bundes willen!
Wie vieles thun wir nicht, die Pflichten zu erfüllen!
Man bittet, ängstet sich, man leidet, man verzeyht,
Man sieht oft, den man liebt, zu seinem Fall bereit,[195]
Man muß entschuldigen, was man doch niemals billigt,
Und büsset Fehler mit, worein man nie gewilligt.
CANUT.
Ich seh, daß Ulfo kömmt. Estrithe, laß mich nun.
Itzt will ich auf sein Herz allein den Angriff thun.
Buchempfehlung
Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.
200 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro