Erster Auftritt.


[200] Estrithe, Haqvin.


ESTRITHE.

Wie? da mir selbst Canut die frohe Bothschaft bringt,

Daß endlich seine Huld des Ulfo Haß bezwingt;

Da mein Gemahl beschämt die Ehrsucht, die ihn qvälet,

Zu besserm Zwecke lenkt und fremde Feinde wählet;

Da er voll Ungeduld schon seine Völker zählt,

Und ihm, vergnügt zu seyn, nur noch sein Aufbruch fehlt:

So kömmst du noch, Haqvin, den Grund von seinem Herzen

Bey seinem Könige durch Argwohn anzuschwärzen,

Verklagest nun zu späth die schon gestillte Wut,

Entdeckst, er rühme sich als Sieger des Canut,

Und muntre durch das Lob von seinen eignen Thaten

Viel hundert Helden auf die Treue zu verrathen?

Umsonst beschreibest du den Trieb, von dem er brennt,

Wie er sonst keinen Feind als seinen König kennt,

Und wie beredt er noch vor kurzer Zeit geschworen,

Ihn zu besänftigen sey alle Huld verloren.

Du kennest nicht, Haqvin, des Wohlthuns starke Kraft,

Wie schnell es Aenderung in edlen Seelen schafft,

Und das beschämte Herz, das dann den Feind verehret,

Wen es aus Stolz gehaßt aus Großmuth lieben lehret.

HAQVIN.

Prinzeßin, sprich vielmehr du kennst den Ehrgeitz nicht,

Wenn du dir schmeicheln kannst, daß ihn die Güte bricht.

Mit Unmuth fühlet er sich fremde Gunst vonnöthen.

Wer Dank von ihm verdient, der machet ihn erröthen.

Er sieht des Feindes Huld, die er gezwungen preist,

Nur für ein Denkmal an, das seine Schwäche weist,

Und glaubt, daß er alsdann erst diesem Schimpf entgangen,[200]

Wenn er den unterdrückt, von dem er ihn empfangen.

ESTRITHE.

Was ist das für ein Trieb, der dich zum Kläger macht?

Wer bloß aus Eifer warnt, stützt sich nicht auf Verdacht,

Du willst vom künftigen aus dem vergangnen sprechen:

Sprich, wenn du sprechen willst, von itzigen Verbrechen.

Nein! Ulfo ist nicht mehr der unbiegsame Feind,

Dem niemand rühmlicher als ein Verräther scheint.

Umsonst hat er geglaubt, er werde nie erweichet.

Die Huld hat mehr in ihm, als er gewollt, erreichet.

Ein Strahl der Dankbarkeit, der unvermerkt erwacht,

Hat wider Willen ihn zu seiner Pflicht gebracht.

Sein Ehrgeitz, der allein zum Hassen ihn entzündet,

Und was er hier gesucht, nun bey den Slaven findet,

Braucht keiner Untreu mehr, und nimmt das Glück erfreut,

Das ohne Laster ihm nun reine Lorbeern beut.

Verschwur er nicht auf stets sein ungestümes Wüten,

Warum vergnügt ihn denn des Königs Anerbiethen?

Warum nahm er voll Dank ein Heer von seiner Hand,

Und zog auf seinen Wink in ein entlegnes Land?

Entfernt man sich von dem, dem man zu schaden dichtet?

Wen man verfolgen will, ist man dem gern verpflichtet?

Sein Herz, das dem Canut nur zu gefallen denkt,

Hat ihm auch seinen Zwist mit Godewin geschenkt.

HAQVIN.

Wie? dieser stolze Geist wird nun so leicht geführet?

Hat Ulfo nun ein Herz, das bloß ein Wink regieret?

Der unbiegsame Trutz, den nichts erweichen kann,

Soll nun verwandelt seyn, und nimmt Ermahnung an?

Die Zeichen schrecken mich, die dich so sehr erfreuen.

Ein Ehrgeitz, der sich zwingt, ist allezeit zu scheuen.

Daß er geschmeidig weicht, geschieht nie ohne Frucht,

Er läßt sich nur herab, wenn er zu steigen sucht.

Ich geh, um iedem Schritt aufmerksam nachzustellen,

Er soll, wen er bedroht, nicht ungewarnet fällen.

Hier kömmt er? Prüfe selbst indessen seine Treu,

Und sieh aus welchem Trieb ich sein Verkläger sey.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 200-201.
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