Dritter Auftritt.


[203] Ulfo, Godschalk.


ULFO.

Sprich, Godschalk, sind nunmehr die Schaaren, die uns dienen,

Auf meinen Wink bereit, sich alles zu erkühnen?

Hast du in ihrer Brust ein Feuer angefacht,

Das die Gefahren trutzt und selbst den Tod verlacht?

Hast du sie angeführt, als ob sie schon den Heeren,

Die deine Rachbegier bedroht, vor Augen wären?

Ist ihnen eingeprägt, daß sich ihr tapfrer Geist

Zum Denken zu umschränkt bloß durch Gehorchen weist,

Und daß ihr Führer bloß den Schluß zu fassen wisse,

Wen man bekriegen soll, wen man verschonen müsse?

GODSCHALK.

Dieß alles und noch mehr hab ich dem Heer gesagt.

Ihr Murmeln hat darauf mein Mistraun angeklagt,

Daß man, da uns vom Feind noch weite Fluthen trennen,

Schon itzt von Pflichten spricht, die sie so lange kennen.

ULFO.

Sie sollen ihren Feind, eh sie vermuthet, sehn.

GODSCHALK.

Um ihn zu sehn, laß uns nur bald zu Schiffe gehn.

Was hilft es, daß wir uns entfernet schon bereiten?

Die Zeit, die hier vergeht, verlieren wir zum Streiten.

Was hilft es, daß man hier Muth und Gehorsam preist,[203]

Eh sich Gelegenheit sie auszuüben weist?

Wenn wir das Land erreicht, nach welchem wir uns sähnen,

Dann ist es Zeit genug, dieß alles zu erwähnen.

ULFO.

Dieß sagst du, weil dein Geist, der ohn Erfahrung denkt,

Den Weg noch nicht erkannt, der dich zum Zwecke lenkt.

GODSCHALK.

Ist denn nicht dieser Zweck, des Vaters Mord zu strafen?

ULFO.

Ist dieser Zweck denn nicht die Wohlfarth deiner Slaven?

GODSCHALK.

Er ist es. Doch dabey vergiß die Rache nicht.

ULFO.

Lern einen Weg von mir, der beydes dir verspricht.

Doch, hast du auch ein Herz, das wahre Grösse schätzet?

Das kein gewohnter Glanz, kein niedrig Lob ergötzet?

Das keine steile Höh, kein tiefer Abgrund schreckt,

An deren Aeusserstem für dich ein Lorbeer steckt?

Das für gleich schimpflich hält, sich alles Ruhms begeben,

Als in der dunkeln Schaar gemeiner Helden leben?

GODSCHALK.

Du fragest, ob mein Herz nach Ruhme streben kann?

Die Frage hat man mir nie ungestraft gethan?

ULFO.

Und gleichwohl führest du von hier zu deiner Schande

Das Joch der Dienstbarkeit nach deinem Vaterlande.

Zeig nur mit diesem Volk die Wege durch das Meer,

Dem Heere folget bald vielleicht ein andres Heer.

Zuletzt wird man dahin mit Schaaren über Schaaren,

Dir anfangs beyzustehn, dann dich zu stürzen, fahren,

Dein Volk wird nicht zu erst so listig unterdrückt,

Und an der Hülfe statt ihm Fessel zugeschickt.

Sieh alle Reich umher, die schon in Ketten liegen!

Nun trifft dein kleines Land die Reyh, es zu besiegen.

Und dennoch nimmst du den zu deinem Helfer an,

Der dich als Nachbar haßt, als mächtig schaden kann.

Itzt eile diesem Schlag durch Klugheit vorzukommen,

Bald ist dir auch die Macht dir vorzusehn benommen.

Itzt ist der Augenblick. Ein Schluß, ein Wort, ein Streich

Erobert deinem Volk der Dänen ganzes Reich.

Denn hast du Zeit genug, des Vaters Tod zu rächen,

Dann, Godschalk, laß uns erst von unserm Aufbruch sprechen.

GODSCHALK.

Was sagst du?

ULFO.

Du erstaunst und bebst bey meinem Rath.

Den schwachen Geist betäubt die Grösse dieser That.

Getrost! laß dich von mir bey iedem Schritt regieren.

Ich will dich bey der Hand bis zu dem Throne führen.

Halbträumend, eh du selbst begreiffst, wie dir geschehn,

Sollst du dies Reich besiegt und dich gekrönet sehn.[204]

Ich suche nichts für mich, und find ein wahr Ergötzen,

Nicht König selbst zu seyn, nur Könige zu setzen.

Reitzt dich die Macht, der Ruhm, die Krone des Canut,

Zu werden, was er ist, brauchst du nichts mehr als Muth.

Die Bahn ist kurz und leicht dieß alles zu erlangen.

Er wird ins Lager gehn; behalt ihn da gefangen.

Es hat dein Heer und dich ein Vaterland erzeugt.

Wen liebte sonst dieß Heer, war es nicht dir geneigt?

Es wird, lehrst du es nur sein wahres Wohl ermessen,

Wem es bisher gedient, im Augenblick vergessen.

Mit Recht erbeutet es nun an des Lohnes statt

Dieß Reich, für das es oft sein Blut gewaget hat.

GODSCHALK.

Was hör ich? Ist nun dieß der Weg mich zu erheben?

Geh! du kannst diesen Rath nur trägern Seelen geben.

ULFO.

Wie? scheint dir der Entschluß, den solch ein Werk begehrt,

Die Klugheit, die Gefahr nicht edler Seelen werth?

Ist dir es denn so klein, ein ganzes Reich erbeuten,

Mit einer Hand voll Volks so manches Heer bestreiten?

Sich überall umringt auf fremdem Boden sehn?

Der überlegnen Zahl doch selbst entgegen gehn,

Und ohne Beystand sonst vom Schrecken bloß gestützet,

Sich einem Throne nahn, den so ein Held besitzet?

Die Helden des Canut, die mancher Streit geübt,

Die ihm bisher gedient, noch mehr die ihn geliebt,

Meynst du die werden itzt versäumen ihn zu retten,

Als ob sie nur zum Schein Gewehr und Arme hätten?

Ist nun noch die Gefahr für deinen Muth zu klein?

Soll dieses noch ein Rath für träge Seelen seyn?

Ein grosses übergiebt die List zwar unsern Händen:

Doch was die List beginnt, das muß der Muth vollenden.

Prüf, ob du stark genug um dieß zu wagen bist.

Hier kann man furchtsam seyn, auch wenn man tapfer ist.

Doch laß die Sorge mir, mich soll kein Fleiß verdriessen.

Die Müh nehm ich auf mich: die Frucht sollst du geniessen.

Hier, Godschalk, stellet sich schon dein Gefangner ein.

Dieß Ansehn, diese Macht, dieß Reich sind nun bald dein.

Itzt laß den edlen Muth durch keinen Zweifel beugen,

Entschließ dich, und wo nicht, entschließ dich nur zu schweigen.


Quelle:
Johann Elias Schlegel: Ausgewählte Werke. Weimar 1963, S. 203-205.
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