[226] Bei der Uebersendung einer Myrte.
Myrte, bescheidener Strauch, geh, grüß' an dem Feste die Freundin
Freundlich von mir und sprich, wie ich es lehre, das Wort:
Schüchternes Laub hüllt züchtig mich ein, und ich blühe verborgen:
Aber um jegliches Blatt säuselt der geistige Duft;
Kühlung hauch' ich umher und erquicke mit heimlicher Anmuth
Aug' und Gefühl, und es liebt Jeder das sinnige Grün.
Stets ist's heiter im Schatten bei mir und still und gemüthlich:
Nie mit betäubendem Duft trüb' ich den schwindelnden Geist.
Gern umkränz' ich die zartere Lust mit dem blühenden Zweige,
Und doch werd' ich so oft stolz und verschlossen genannt;
Denn nicht beug' ich mich feig, wie die anderen Blumen, des Westes
Leisestem Hauch, und frei heb' ich zur Sonne das Blatt.[227]
Doch nicht preis' ich mich selber dir gern; denn ich denke, Natur hat
So mich geschaffen, und stets schmieg' ich der Mutter mich an.
Nimm mich und pflege den Strauch, der so ganz dir gleichet, mit Sorgfalt.
Einst dann kränz' ich dir wohl bräutlich die Locken dafür.