An die deutschen Frauen

[79] 1814.


Nun uns Freiheit ist erstritten

In Gedanken, That und Wort,

Schaffet denn die fremden Sitten

Ihr auch, deutsche Frauen, fort!


Ist nur erst aus euern Herzen

Aller welsche Sinn verbannt,

Jenes Locken, Buhlen, Scherzen –

Weicht von selbst der andre Tand.


Rühmt nicht lange hier und dorten

Vaterländischen Verein;

All' auf einmal aller Orten

Sollen deutsche Weiber sein.


Nicht in hohen Saales Mitte,

In der alten Eitelkeit,

Nach der üpp'gen Frankensitte,

Wird die deutsche Tracht geweiht!


Fromm und mild soll sie gedeihen

Still in jedem Kämmerlein,

Wandeln soll sie dann im Freien,

Eingeweiht vom Sonnenschein.


Nicht in stolzem Haargeflechte,

Nicht in Sammt- und Seide-Glanz

Sollt ihr suchen euch das Rechte,

Kinder unsres deutschen Lands.


Kränze schweben von den Eichen

Euch von selbst ins schlichte Haar,

Frische Waldesblüten reichen

Eurer Brust zum Schmuck sich dar.
[79]

Eure lieben Angesichter

Sind noch aus der alten Zeit,

Wie sie Maler uns und Dichter

Einst getreulich konterfeit.


Jene herrlichen Geschlechter

Haben Schönstes auch gekannt,

Wählet ihrer hohen Töchter

Edel zierliches Gewand.


Vieles wirkten sie und woben

In dem stillen Frauenkreis,

Also möget ihr erproben

Neu den anererbten Fleiß.


Wie sich's Einmal dann gestaltet,

Biet' es stets dem Fremden Trutz,

Denn was wechselt und veraltet,

Ist nur eitler, welscher Putz.


Ganz in seine strenge Hülle

Schließ' es rings die Glieder ein,

Unerforscht, wie euer Wille,

Sollen eure Reize sein.


Mag der Fremde lüstern spähen:

Schweigend, eingehüllt in Zucht

Wird die deutsche Jungfrau stehen,

Unzugänglich, unversucht.


Von des Landes treuen Söhnen

Ehrerbietig angeschaut,

Reine Wünsche nur zu krönen,

Wächst sie still heran zur Braut.


Solches singen wir in Liedern

Dichtend euch, ihr Frauen rein!

Wollt es mit der That erwiedern,

Deutsch an Leib und Seele sein!
[80]

Wußt' ein deutscher Mann zu schlagen

Treu und fest die eigne Schlacht,

Wiss' ein deutsches Weib zu tragen

Fromm und rein die eigne Tracht!

Quelle:
Gustav Schwab: Gedichte. Leipzig [um 1880], S. 79-81.
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