Vierte Szene

[776] Olivias Garten.


Olivia und Maria treten auf.


OLIVIA.

Ich hab' ihm nachgeschickt; gesetzt, er kommt:

Wie kann ich wohl ihn feiern? was ihm schenken?

Denn Jugend wird erkauft, mehr als erbeten. –

Ich sprach zu laut. –

Wo ist Malvolio? – Er ist ernst und höflich,

Und paßt zum Diener sich für meinen Fall.

Wo ist Malvolio?[776]

MARIA.

Eben kommt er, Fräulein,

Doch wunderlich genug. Er ist gewiß besessen.

OLIVIA.

Was gibt's denn? Spricht er irr'?

MARIA.

Nein, er tut nichts

Als lächeln; Euer Gnaden täten wohl,

Wen bei der Hand zu haben, wenn er kommt,

Denn sicher ist der Mann nicht recht bei Sinnen.

OLIVIA.

Geht, ruft ihn her! – So toll wie er bin ich,

Gleicht lust'ge Tollheit und betrübte sich.


Malvolio kommt.


Wie geht's, Malvolio?

MALVOLIO lächelt phantastisch. Schönes Fräulein, he, he!

OLIVIA.

Lächelst du?

Ich rief dich her bei einem ernsten Anlaß.

MALVOLIO. Ernst, Fräulein? Ich könnte wohl ernsthaft sein; es macht einige Stockung im Blute, dies Binden der Kniegürtel. Aber was tut's? Wenn es den Augen einer Einzigen gefällt, so heißt es bei mir wie jenes wahrhafte Sonett: »Gefall' ich einer, so gefall' ich allen!«

OLIVIA. Ei, Malvolio, wie steht es mit dir? Was geht mit dir vor?

MALVOLIO. Ich bin nicht schwarz von Gemüt, obschon gelb an den Beinen. Es ist ihm zu Handen gekommen, und Befehle sollen vollzogen werden. Ich denke, wir kennen die schöne römische Hand.

OLIVIA. Willst du nicht zu Bett gehn, Malvolio?

MALVOLIO. Zu Bett? Ja, liebes Herz, und ich will zu dir kommen.

OLIVIA. Gott helfe dir! Warum lächelst du so und wirfst so viele Kußhände?

MARIA. Wie geht's Euch, Malvolio?

MALVOLIO. Auf Eure Erkundigung? – Ja, Nachtigallen antworten Krähen.

MARIA. Warum erscheint Ihr mit dieser lächerlichen Unverschämtheit vor dem Fräulein?

MALVOLIO. »Sei nicht bange vor der Hoheit.« Das war schön gesagt.[777]

OLIVIA. Was meinst du damit, Malvolio?

MALVOLIO. »Einige werden hoch geboren –«

OLIVIA. Nun?

MALVOLIO. »Einige erwerben Hoheit –«

OLIVIA. Was sagst du?

MALVOLIO. »Und einigen wird sie zugeworfen.«

OLIVIA. Der Himmel steh' dir bei!

MALVOLIO. »Erinnre dich, wer deine gelben Strümpfe lobte.«

OLIVIA. Deine gelben Strümpfe?

MALVOLIO. »Und dich mit kreuzweise gebundnen Kniegürteln zu sehn wünschte.«

OLIVIA. Mit kreuzweise gebundnen Kniegürteln?

MALVOLIO. »Nur zu! Dein Glück ist gemacht, wo du es wünschest.«

OLIVIA. Mein Glück?

MALVOLIO. »Wo nicht, so bleib' nur immer ein Bedienter.«

OLIVIA. Nun, das ist eine rechte Hundstagstollheit.


Ein Bedienter kommt.


BEDIENTER. Gnädiges Fräulein, der junge Kavalier vom Grafen Orsino ist wieder da; ich konnte ihn kaum bewegen, zurückzukommen. Er erwartet Euer Gnaden Befehle.

OLIVIA. Ich komme gleich zu ihm.


Bedienter ab.


Liebe Maria, trag' mir für diesen Menschen Sorge! Wo ist mein Vetter Tobias? Daß ein paar von meinen Leuten recht genau auf ihn achten: Ich wollte um alles nicht, daß ihm ein Unglück zustieße.


Olivia und Maria ab.


MALVOLIO. Ha, ha! legt Ihr mir's nun näher? Kein Geringerer als Junker Tobias soll Sorge für mich tragen? Dies trifft aufs Haar mit dem Briefe überein. Sie schickt ihn mit Fleiß, damit ich mich widerspenstig gegen ihn betragen kann: denn dazu ermahnt sie mich ja in dem Briefe. »Wirf deine demütige Hülle ab«, sagt sie, »sei widerwärtig gegen einen Verwandten, mürrisch mit den Bedienten; laß Staatsgespräche von deinen Lippen schallen; lege dich auf ein Sonderlingsbetragen«;[778] und hierauf setzt sie die Art und Weise aus einander, als da ist: ein ernsthaftes Gesicht, eine stattliche Haltung, eine langsame Zunge, nach der Manier eines vornehmen Herrn, und so weiter. Ich habe sie im Netz, freilich durch der Götter Gnade, und geben die Götter, daß ich dankbar sei! Und als sie eben wegging: »Tragt mir für diesen Menschen Sorge!« Mensch! Nicht Malvolio, oder nach meinem Titel, sondern Mensch! Ja, alles paßt zu einander, so daß kein Gran von einem Skrupel, kein Skrupel von einem Skrupel, kein Hindernis, kein unwahrscheinlicher oder zweideutiger Umstand – Was kann man einwenden? Es kann nichts geben, was sich zwischen mich und die weite Aussicht meiner Hoffnungen stellen könnte. Wohl, die Götter, nicht ich, haben dies zustande gebracht, und ihnen gebührt der Dank.


Maria kommt mit Junker Tobias und Fabio zurück.


JUNKER TOBIAS. Wo ist er hin, im Namen der Gottseligkeit? Hätten sich auch alle Teufel der Hölle zusammengedrängt, und besäße ihn Legion selbst, so will ich ihn doch anreden.

FABIO. Hier ist er, hier ist er. Wie steht's mit Euch, Freund? Wie steht's mit Euch?

MALVOLIO. Geht fort! Ich entlasse Euch. Laßt mich meine Einsamkeit genießen! Geht fort!

MARIA. Hört doch, wie hohl der Böse aus ihm spricht! Sagt' ich's Euch nicht? – Junker Tobias, das Fräulein bittet Euch, Sorge für ihn zu tragen.

MALVOLIO. He, he! tut sie das?

JUNKER TOBIAS. Still! Still! Wir müssen sanftmütig mit ihm umgehn; laßt mich nur machen! Was macht Ihr, Malvolio? Wie steht's mit Euch? Ei, Freund, leistet dem Teufel Widerstand: bedenkt, er ist der Erbfeind der Menschenkinder.

MALVOLIO. Wißt Ihr auch, was Ihr sagt?

MARIA. Seht nur, wenn Ihr vom Teufel übel redet, wie er sich's zu Herzen nimmt. Gebe Gott, daß er nicht behext ist!

FABIO. Die weise Frau muß ihm das Wasser beschaun.

MARIA. So wahr ich lebe, es soll morgen früh geschehn. Das Fräulein möchte ihn um alles in der Welt nicht missen.

MALVOLIO. Ei so, Jungfer?[779]

MARIA. Ojemine!

JUNKER TOBIAS. Ich bitte dich, sei ruhig! Dies ist nicht die rechte Art: seht Ihr nicht, daß Ihr ihn reizt? Laßt mich allein machen!

FABIO. Da hilft nichts wie Sanftmut. Sanftmütig! sanftmütig! Der böse Feind ist trotzig und läßt sich nicht trotzig begegnen.

JUNKER TOBIAS. Ei, was machst du, mein Täubchen? Wie geht's, mein Puthühnchen?

MALVOLIO. Herr!

JUNKER TOBIAS. Ei sieh doch! komm, tucktuck! – Nun, Mann? Es steht der Ehrbarkeit nicht an, mit dem Teufel Knicker zu spielen. – Fort mit dem garstigen Schornsteinfeger!

MARIA. Laßt ihn sein Gebet hersagen, lieber Junker Tobias! Bringt ihn zum Beten!

MALVOLIO. Mein Gebet, Meerkatze?

MARIA. Seht, ich sagt' es Euch; er will nichts von Gottesfurcht wissen.

MALVOLIO. Geht alle zum Henker! Ihr seid alle dumme alberne Geschöpfe. Ich gehöre nicht in eure Sphäre: ihr sollt weiter von mir hören. Ab.

JUNKER TOBIAS. Ist's möglich?

FABIO. Wenn man dies auf dem Theater vorstellte, so tadelte ich es vielleicht als eine unwahrscheinliche Erdichtung.

JUNKER TOBIAS. Sein Kopf ist bis oben an voll von unserm Einfalle.

MARIA. Ja, setzt ihm nur gleich zu, damit der Einfall nicht Luft kriegt und verfliegt.

FABIO. Wir werden ihn gewiß völlig toll machen.

MARIA. Desto ruhiger wird's im Hause zugehn.

JUNKER TOBIAS. Kommt, er soll in eine dunkle Kammer gesperrt und gebunden werden. Meine Nichte ist schon in dem Glauben, daß er toll ist; wir können's so forttreiben, uns zum Spaß und ihm zur Buße, bis unser Zeitvertreib selbst so müde gejagt ist, daß er uns bewegt, Erbarmen mit ihm zu haben; und du, Mädchen, sollst bestallter Tollheits visitator werden. Aber seht! seht!


Junker Christoph kommt.[780]


FABIO. Hier ist wieder etwas für einen Fastnachtsabend.

JUNKER CHRISTOPH. Da habt ihr die Ausfoderung; lest sie: ich steh' dafür, es ist Salz und Pfeffer darin.

FABIO. Ist sie so verwegen?

JUNKER CHRISTOPH. Ei ja doch! Ich stehe ihm dafür. Lest nur!

JUNKER TOBIAS. Gib her! »Junger Mensch, was du auch sein magst, du bist doch nur ein Lumpenkerl.«

FABIO. Schön und tapfer!

JUNKER TOBIAS. »Wundre dich nicht, und erstaune nicht in deinem Sinn, warum ich dich so nenne, denn ich will dir keinen Grund davon angeben.«

FABIO. Eine gute Klausel! Das stellt Euch vor dem Verklagen sicher.

JUNKER TOBIAS. »Du kommst zu Fräulein Olivia, und sie tut vor meinen Augen schön mit dir: aber du lügst's in den Hals hinein, das ist nicht die Ursache, warum ich dich herausfodre.«

FABIO. Ungemein kurz und auserlesen im Sinn- losen.

JUNKER TOBIAS. »Ich will dir beim Nachhausegehn aufpassen, und wenn du alsdann das Glück hast, mich umzubringen –«

FABIO. Schön!

JUNKER TOBIAS. »So bringst du mich um wie ein Schuft und ein Spitzbube.«

FABIO. Ihr haltet Euch immer außerhalb dem Schusse.

JUNKER TOBIAS. »Leb wohl, und Gott erbarme sich einer von unsern Seelen! Er kann sich der meinigen erbarmen, aber ich hoffe ein Besseres, und also sieh dich vor! Dein Freund, je nachdem du ihm begegnest, und dein geschworner Feind,

Christoph von Bleichenwang.«

Wenn dieser Brief ihn nicht aufbringt, so ist er gar nicht auf die Beine zu bringen. Ich will ihn ihm geben.

MARIA. Ihr könnt leicht Gelegenheit dazu finden: er ist jetzt in einem Gespräch mit dem Fräulein und wird gleich weggehn.

JUNKER TOBIAS. Geh, Junker, laure ihm an der Gartenecke auf wie ein Häscher; sobald du ihn nur erblickst, zieh' und fluche fürchterlich dabei: denn es geschieht oft, daß ein entsetzlicher[781] Fluch, in einem rechten Bramarbastone herausgewettert, einen mehr in den Ruf der Tapferkeit setzt, als eine wirkliche Probe davon jemals getan hätte. Fort!

JUNKER CHRISTOPH. Nun, wenn's Fluchen gilt, so laßt mich nur machen! Ab.

JUNKER TOBIAS. Ich will mich wohl hüten, seinen Brief zu übergeben. Das Betragen des jungen Mannes zeigt, daß er verständig und wohl erzogen ist; sein Geschäft für seinen Herrn bei meiner Nichte bestätigt das auch: also wird dieser Brief wegen seiner außerordentlichen Abgeschmacktheit dem jungen Mann kein Schrecken erregen; er wird merken, daß er von einem Pinsel herkommt. Ich will statt dessen die Ausfoderung mündlich bestellen, will ein großes Wesen von Bleichenwangs Tapferkeit machen, und jenem, der jung genug ist, um sich leicht etwas aufbinden zu lassen, eine gewaltige Meinung von seiner Wut, Geschicklichkeit und Hitze beibringen. Dies wird sie beide so in Angst setzen, daß sie einander wie Basilisken mit den Augen umbringen werden.


Olivia und Viola kommen.


FABIO. Da kommt er mit Eurer Nichte. Macht ihnen Platz, bis er Abschied nimmt, und dann gleich hinter ihm drein!

JUNKER TOBIAS. Ich will mich indessen auf recht entsetzliche Ausdrücke für die Ausfoderung bedenken.


Junker Tobias und Fabio ab.


OLIVIA.

Zu viel schon sagt' ich für ein Herz von Stein,

Gab unbesonnen meine Ehre bloß.

In mir ist was, das mir den Fehl verweist;

Doch solch ein starrer, mächt'ger Fehler ist's,

Er trotzt Verweisen nur.

VIOLA.

Ganz nach der Weise Eurer Leidenschaft

Geht's mit den Schmerzen meines Herrn.

OLIVIA.

Tragt mir zu lieb dies Kleinod, 's ist mein Bildnis;

Schlagt es nicht aus, mit Schwatzen quält's Euch nicht;

Und kommt, ich bitt' Euch, morgen wieder her!

Was könnt Ihr bitten, das ich weigern würde,

Wenn unverletzt es Ehre geben darf?[782]

VIOLA.

Nur dieses: Euer Herz für meinen Herrn.

OLIVIA.

Wie litte meine Ehr', ihm das zu geben,

Was Ihr von mir schon habt?

VIOLA.

Ich sag' Euch los.

OLIVIA.

Gut, lebe wohl, und sprich mir morgen zu!

Zur Hölle lockte mich ein böser Feind wie du.


Ab.

Junker Tobias und Fabio kommen.


JUNKER TOBIAS. Gott grüß' dich, junger Herr!

VIOLA. Euch gleichfalls, Herr!

JUNKER TOBIAS. Was du für Waffen bei dir hast, nimm sie zur Hand; von welcher Art die Beleidigungen sind, die du ihm zugefügt, weiß ich nicht; aber dein Nachsteller, hoch ergrimmt, blutig wie der Jäger, erwartet dich an der Gartenecke. Heraus mit der Klinge! Rüste dich wacker! Denn dein Gegner ist rasch, geschickt und mörderlich.

VIOLA. Ihr irrt Euch, Herr; ich bin gewiß, daß niemand irgendeinen Zank mit mir hat. Mein Gedächtnis ist völlig rein und frei von Vorstellungen eines Unrechts, das ich jemanden zugefügt haben sollte.

JUNKER TOBIAS. Ihr werdet es anders finden, ich versichre Euch: wenn Ihr also das Geringste aus Eurem Leben macht, so seid auf Eurer Hut: denn Euer Gegner hat alles für sich, was Jugend, Stärke, Geschicklichkeit und Wut einem verschaffen kann.

VIOLA. Um Verzeihung, Herr, was ist er für ein Mann?

JUNKER TOBIAS. Er ist ein Ritter, dazu geschlagen mit unversehrtem Schwert, auf gewirktem Boden; aber er ist ein rechter Teufel in Zweikämpfen: der Seelen und Leiber, so er geschieden, sind drei; und sein Grimm in diesem Augenblick ist so unversöhnlich, daß er keine andre Genugtuung kennt, als Todesangst und Begräbnis. Drauf und dran! ist sein Wort; mir nichts, dir nichts!

VIOLA. Ich will wieder in das Haus gehn und mir eine Begleitung von der Dame ausbitten. Ich bin kein Raufer. Ich habe wohl von einer Art Leute gehört, die mit Fleiß Händel mit andern anzetteln, um ihren Mut zu prüfen: vielleicht ist er einer von diesem Schlage.[783]

JUNKER TOBIAS. Nein, Herr; seine Entrüstung rührt von einer sehr wesentlichen Beleidigung her; also vorwärts, und tut ihm seinen Willen! Zurück zum Hause sollt Ihr nicht, wenn Ihr's nicht mit mir aufnehmen wollt, da Ihr Euch doch ebenso wohl ihm selbst stellen könntet. Also vorwärts, oder zieht gleich fasernackt vom Leder; denn schlagen müßt Ihr Euch, das ist ausgemacht, oder für immer verschwören, eine Klinge zu tragen.

VIOLA. Das ist ebenso unhöflich als seltsam. Ich bitte Euch, erzeigt mir die Gefälligkeit, den Ritter zu fragen, worin ich ihn beleidigt habe; es ist gewiß nur aus Unachtsamkeit, nicht aus Vorsatz geschehn.

JUNKER TOBIAS. Das will ich tun. Signor Fabio, bleibt Ihr bei diesem Herrn, bis ich zurückkomme. Ab.

VIOLA. Ich bitte Euch, mein Herr, wißt Ihr um diesen Handel?

FABIO. Ich weiß nur, daß der Ritter auf Tod und Leben gegen Euch erbost ist, aber nichts von den näheren Umständen.

VIOLA. Um Verzeihung, was ist er für eine Art von Mann?

FABIO. Sein Äußeres verrät nichts so Außerordentliches, als Ihr durch die Proben seiner Herzhaftigkeit an ihm werdet kennen lernen. Er ist in der Tat der behendeste, blutgierigste und verderblichste Gegner, den Ihr in ganz Illyrien hättet finden können. Wollt Ihr ihm entgegen gehn? Ich will Euch mit ihm aussöhnen, wenn ich kann.

VIOLA. Ich würde Euch sehr verbunden sein; ich für mein Teil habe lieber mit dem Lehrstande als dem Wehrstande zu tun; ich frage nicht darnach, ob man mir viel Herz zutraut.


Beide ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin: Aufbau, 1975, S. 776-784.
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