[439] In Cymbelines Palast.
Es treten auf Cymbeline, die Königin, Cloten, Lucius und Gefolge.
CYMBELINE.
So weit; und nun lebt wohl!
LUCIUS.
Dank, großer König!
Mein Kaiser schrieb, und ich muß eilig fort,
Und bin betrübt, daß ich Euch melden muß
Als meines Herren Feind.
CYMBELINE.
Es will mein Volk
Sein Joch nicht länger tragen, und ich selbst
Erschiene, zeigt' ich wen'ger Herrscherstolz,
Unköniglich.
LUCIUS.
Herr, so vergönnt mir denn
Geleit nach Milford Hafen, durch das Land! –
Kön'gin, Euch wünsch' ich alles Heil, und Euch!
CYMBELINE.
Mylords, ihr seid zu diesem Dienst erlesen;
Versäumt der Ehre Pflicht in keinem Punkt! –
Lebt, edler Lucius, wohl!
LUCIUS.
Prinz, Eure Hand!
CLOTEN.
Empfangt sie freundschaftlich; doch von jetzt an
Gebrauch' ich sie als Feind.
LUCIUS.
Der Ausgang, Prinz,
Nennt erst des Siegers Namen. Lebt denn wohl!
CYMBELINE.
Laßt nicht den würd'gen Lucius, edle Herrn,
Bis er jenseit der Severn! – Glück mit Euch!
Lucius geht ab mit Gefolge.
KÖNIGIN.
Im Zorne geht er fort; doch ehrt es uns,
Daß wir ihm Ursach' gaben.
CLOTEN.
Um so besser;
Der tapfern Briten Wunsch wird nun erfüllt.
CYMBELINE.
Lucius hat seinem Kaiser schon geschrieben,
Wie es hier steht. Drum ist's die höchste Zeit,
Daß unsre Ross' und Wagen wir bereiten;
Die Truppen, die er schon in Gallien hat,
Sind schnell versammelt; von dort kommt sein Kriegsheer
Nach unserm Land.[439]
KÖNIGIN.
Nicht frommt Saumseligkeit;
Mit Kraft und Schnelle müssen wir uns rüsten.
CYMBELINE.
Erwartung, daß dies kommen werde, trieb uns
Zur Vorbereitung. Doch wo, teure Kön'gin,
Mag unsre Tochter sein? Nicht vor dem Römer
Erschien sie, und versagt auch uns die Pflicht
Des Morgengrußes: ein Geschöpf, mich dünkt,
Aus Bosheit mehr geschaffen als Gehorsam –
Wir merkten's wohl. – Ruft sie herbei; wir waren
Zu lässig im Erdulden.
Ein Diener geht ab.
KÖNIGIN.
Großer König,
Seit Posthumus' Verbannung führte sie
Ein einsam Leben; solcher Wunden Arzt
Ist nur die Zeit. Geruh' Eu'r Majestät,
Nicht hart mit ihr zu reden: tief empfindet
Verweise sie, so daß ihr Worte Streiche,
Und Streiche Tod sind.
Der Diener kommt zurück.
CYMBELINE.
Nun, wo bleibt sie? Was
Entschuldigt ihren Starrsinn?
DIENER.
Herr, vergebt,
Ihr Zimmer ist verschlossen, und es folgt
Auf unser lautstes Klopfen keine Antwort.
KÖNIGIN.
Sie bat mich, da ich sie zuletzt besuchte,
Bei Euch ihr einsam Leben zu entschuld'gen;
Ihr Kränkeln, sprach sie, nöt'ge sie dazu,
Daß sie so unerfüllt die Pflichten lasse,
Die sie Euch täglich schuldig: und sie bat mich,
Euch dies zu sagen; doch des Hofes Unruh'
Macht mein Gedächtnis tadelnswert.
CYMBELINE.
Verschlossen
Die Tür? Sie unsichtbar? Der Himmel gebe,
Daß meine Ahnung falsch!
Er geht ab.
KÖNIGIN.
Sohn, folg' dem König!
CLOTEN.
Den alten Knecht, Pisanio, ihren Diener,
Sah ich zwei Tage nicht.[440]
KÖNIGIN.
Geh, forsche nach! –
Cloten geht ab.
Pisanio, du, des Posthumus Vertrauter! –
Er hat Arznei von mir: käm' sein Verschwinden
Daher, daß er sie trank! Er glaubt, es sei
Ein kostbar Mittel. Doch, wo ist sie nur?
Vielleicht, daß sie Verzweiflung hat ergriffen;
Vielleicht, beschwingt von Liebesandacht, floh sie
Zu ihrem teuren Posthumus. Fort ist sie,
In Tod, in Schmach gestürzt; und meinem Zweck
Kann beides dienen: sie nicht mehr am Leben,
Hab' ich die Britenkrone zu vergeben.
Cloten kommt zurück.
Wie nun, mein Sohn?
CLOTEN.
's ist richtig, sie entfloh.
Geht, sprecht dem König zu, er wütet; keiner
Wagt ihm zu nahn.
KÖNIGIN.
So besser: daß der Schlag
Ihn schon entseelte vor dem nächsten Tag!
Die Königin geht ab.
CLOTEN.
Ich lieb' und hasse sie: sie ist schön und Fürstin;
Ausbünd'ger hat sie alle Zier des Hofes
Als eine Dam', als alle Damen, alle Frau'n;
Von jeder hat sie 's Beste: so zusammen
Gesetzt aus allen, sticht sie alle aus:
Drum lieb' ich sie; doch mich verhöhnen, weg
An jenen Knecht sich werfen, das befleckt
Ihr Urteil so, daß alles, noch so herrlich,
Daran verdirbt; und dies in ihr beschließ' ich
Zu hassen, ja, und mich an ihr zu rächen.
Denn wenn Dummköpfe so –
Pisanio tritt auf.
Wer ist das? Was!
Kabalen machst du, Kerl? Hieher gekommen!
Kostbarer Kuppler du! Spitzbube, wo[441]
Ist deine Fürstin? Schnell, sonst schick' ich dich
Zu allen Teufeln hin.
PISANIO.
Oh, bester Prinz! –
CLOTEN.
Wo ist die Fürstin? Sonst, beim Jupiter! –
Ich frage nicht noch mal. Verschwiegner Schelm,
'raus dein Geheimnis aus dem Herzen, sonst
Spalt' ich's und such's. Ist sie bei Posthumus?
Aus dessen Zentner Niederträchtigkeit
Auch nicht ein Gran von Adel ist zu schmelzen?
PISANIO.
Ach, gnäd'ger Herr, wie kann sie bei ihm sein?
Wann wurde sie vermißt? Er ist in Rom.
CLOTEN.
Wo ist sie? 'raus damit, kein Stottern mehr:
Gib gründlichen Bescheid, was ward aus ihr?
PISANIO.
Ach, mein sehr würd'ger Prinz!
CLOTEN.
Sehr würd'ger Schuft!
Sprich, wo ist deine Herrin? Gleich sprich's aus,
Mit einem Wort, – nichts mehr von würd'gem Prinzen;
Sprich's aus, sonst ist dein Schweigen augenblicklich
Dein Todesurteil und dein Tod.
PISANIO.
So nehmt
Dies Blatt: darauf steht alles, was ich weiß
Von ihrer Flucht.
Er gibt ihm einen Brief.
CLOTEN.
Laß sehn! Ich lauf' ihr nach
Bis vor Augustus' Thron.
PISANIO für sich.
Ich muß, sonst sterb' ich.
Sie ist schon fern genug; was er da liest,
Bringt Mühe ihm, doch ihr Gefahr nicht.
CLOTEN.
Ha!
PISANIO für sich.
Dem Herrn meld' ich sie tot. Oh, Imogen,
Glück dir, du magst nach Rom, zur Heimat gehn!
CLOTEN.
Du, ist der Brief auch echt?
PISANIO.
So viel ich weiß.
CLOTEN. Es ist Posthumus' Hand, ich kenne sie. – Kerl, wenn du kein Spitzbube sein wolltest, und mir treu dienen, die Geschäfte besorgen, zu denen ich Gelegenheit hätte, dich zu brauchen, mit einem wahren Eifer – das heißt, jede Schurkerei, die ich dir zu tun befehle, ausführen, geradezu und gewissenhaft, – so würde ich dich für einen ehrlichen[442] Mann halten: da solltest du auf meine ganze Hülfe zu deinem Besten rechnen können, und auf meine Stimme zu deiner Beförderung.
PISANIO. Gut, mein edler Prinz.
CLOTEN. Willst du mir dienen? Denn da du so geduldig und standhaft bei dem kahlen Glück des bettelhaften Posthumus ausgehalten hast, so mußt du nach den Regeln der Dankbarkeit auch getreuer Anhänger des meinigen sein. Willst du mir dienen?
PISANIO. Ja, ich will.
CLOTEN. Gib mir deine Hand, hier hast du meinen Beutel! Hast du von deinem vorigen Herrn Kleider in deiner Verwahrung?
PISANIO. Ich habe eins in meiner Wohnung, Prinz, dasselbe Kleid, das er trug, als er von meiner Herrin und Gebieterin Abschied nahm.
CLOTEN. Der erste Dienst, den du mir tun sollst, ist, daß du mir das Kleid holst. Das soll dein erster Dienst sein. Geh!
PISANIO. Sogleich, Prinz. Er geht ab.
CLOTEN. Dich in Milford Hafen treffen! – ein Ding vergaß ich noch zu fragen, ich will gleich daran denken – gerade da, du Schurke Posthumus, will ich dich umbringen. Ich wollte, die Kleider wären erst da. Sie sagte mal (die Bitterkeit davon stößt mir noch immer im Herzen auf), daß sie das bloße Kleid des Posthumus höher achte, als meine eigne, edle, natürliche Person, mitsamt dem Schmuck meiner Eigenschaften. In demselben Kleide will ich ihr Gewalt antun – erst ihn umbringen, und vor ihren Augen; da soll sie meine Tapferkeit sehn, und das wird eine Marter für ihren Hochmut sein. Er auf dem Boden, meine Rede voll Hohn auf seinem toten Leichnam beendigt, – und wenn ich meine Lust gebüßt habe (was ich, wie ich sagte, sie zu quälen, alles in den Kleidern tun will, die sie lobte), will ich sie nach Hofe zurück schlagen, sie mit den Füßen wieder nach Hause stoßen. Es machte ihr eine rechte Freude, mich zu verhöhnen: nun will ich auch in meiner Rache ausgelassen sein.
Pisanio kommt mit den Kleidern.
Sind das die Kleider?[443]
PISANIO. Ja, mein edler Herr.
CLOTEN. Wie lange ist's, daß sie nach Milford Hafen ging?
PISANIO. Sie kann kaum dort sein.
CLOTEN. Trage diesen Anzug auf mein Zimmer: das ist das zweite Ding, das ich dir befohlen habe; das dritte ist, daß du von Herzen gern von meiner Absicht schweigst. Sei nur dienstbeflissen, und hohe Beförderung wird dir selbst entgegen kommen. – Meine Rache wohnt jetzt zu Milford: ich wollte, ich hätte Flügel, um sie zu verfolgen! Komm, und sei treu! Cloten geht ab.
PISANIO.
Du rätst mir schlecht: dir treu, das sei mir fern,
Das wäre Falschheit an dem treusten Herrn!
Nach Milford geh, doch wirst du nimmer schauen,
Die du dort suchst. Oh, möge niedertauen
Auf sie des Himmels Segen! Diesen Toren
Halt' Säumnis auf, sein Mühen sei verloren!
Er geht ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Cymbeline
|
Buchempfehlung
Die beiden betuchten Wiener Studenten Theodor und Fritz hegen klare Absichten, als sie mit Mizi und Christine einen Abend bei Kerzenlicht und Klaviermusik inszenieren. »Der Augenblich ist die einzige Ewigkeit, die wir verstehen können, die einzige, die uns gehört.« Das 1895 uraufgeführte Schauspiel ist Schnitzlers erster und größter Bühnenerfolg.
50 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro