Dritte Szene

[1002] Der Schloßhof.


Geräusch und Tumult hinter der Bühne. Der Pförtner und sein Knecht treten auf.


PFÖRTNER. Werdet ihr bald mit Lärmen aufhören, ihr Esel Meint ihr, der Schloßhof sei ein Bärengarten? Ihr wüsten Gesellen, laßt ab mit Gaffen!

EINER VON DRINNEN. Lieber Meister Pförtner, ich gehöre zur Speisekammer.

PFÖRTNER. Gehört zum Galgen und laßt Euch hängen, Ihr Maulaff! Ist dies der Ort, solch ein Gebrüll zu verführen?[1002] Holt mir ein Dutzend Schwarzdornknittel, von den stämmigsten! Diese hier sind alle nur wie Reitgerten. Ich werde euch die Köpfe krauen; müßt ihr auf Kindtaufen sein? Steht euch der Sinn auf Bier und Kuchen hier, ihr wüsten Esel?

KNECHT.

Seid ruhig, lieber Herr, 's ist gleich unmöglich, –

Wir fegen denn sie mit Kanonen heim, –

Sie zu zerstreun, als sie zum Schlaf zu bringen

Am Maitag Morgen; nimmer setzt Ihr's durch:

Wir brächten wohl Sankt Paul so leicht zum Weichen.

PFÖRTNER.

Wie zum Henker kamen sie denn herein?

KNECHT.

Ich weiß nicht, Herr; wie bricht die Flut herein?

Was ein gesunder Prügel von vier Fuß

Austeilen konnte, – seht die winz'gen Reste! –

Herr, daran spart' ich nichts.

PFÖRTNER.

Nichts tatet ihr.

KNECHT. Ich bin kein Simson, kein Ritter Guy, kein Riese Colbrand, daß ich sie vor mir niedermähen könnte; wenn ich aber einen verschont habe der einen Kopf zum Treffen hatte, jung oder alt, Er oder Sie, Hahnrei oder Hahnreimacher, so will ich nie wieder einen Rippenbraten vor Augen sehn, und das möcht' ich nicht für eine ganze Kuh. Gott tröste sie!

VON DRINNEN. Hört Ihr, Meister Pförtner?

PFÖRTNER. Gleich werd' ich bei Euch sein, lieber Meister Hasenfuß. Halt' die Tür fest zu, Kerl!

KNECHT. Was wollt Ihr, daß ich tun soll?

PFÖRTNER. Was sollt Ihr anders tun, als sie bei Dutzenden zu Boden schlagen? Ist dies Moorfields, wo gemustert wird? Oder haben wir einen ausländ'schen Indianer mit einem großen Schweif am Hofe, daß die Weiber uns so belagern? Gott behüte, was für unzüchtiges Gesindel sich da vor der Tür herumtreibt! Bei meiner christlichen Taufe, dieser eine Täufling bringt ihrer tausend neue zuwege – hier kommen Vater, Gevatter und alle Welt zusammen.

KNECHT. Desto dichter fallen die Löffel, Herr. Dort steht ein Kerl so ziemlich nah an der Türe, der muß ein Kupferschmied sein nach seinem Gesicht; denn, mein' Seel', zwanzig Hundstage[1003] regieren ihm in der Nase: alle, die um ihn her stehn sind unter der Linie, sie brauchen keine Strafe weiter: diesen Feuerdrachen traf ich dreimal auf den Kopf, und dreimal gab seine Nase Feuer auf mich; er steht wie ein Mörser da, um auf uns loszubrennen. Neben ihm sah ich ein abgeschmacktes Trödelweib, das auf mich schimpfte, bis ihre zackige Suppenschüssel ihr vom Kopf fiel, weil ich solch einen Brand im gemeinen Wesen anschüre. Ich verfehlte das Feuermeteor einmal, und traf dieses Weib, das gleich rief: »Knittel her!« Worauf ich alsbald an die vierzig Stabschwinger ihr zu Hülfe kommen sah, die Hoffnung des Strands, den sie bewohnt. Sie griffen an, ich hielt mich tapfer; zuletzt kam's bis zum Besenstiel, und noch immer bot ich Trotz: als plötzlich eine Reihe von Jungen hinter ihnen, loses Gesindel, solch einen Hagel von Steinen gegen mich abschickte, daß ich die Segel einzog und froh sein mußte, das Feld zu räumen. Der Teufel war unter ihnen, glaub' ich, sicher.

PFÖRTNER. Das sind die Schlingel, die im Theater trommeln und sich um angebißne Äpfel prügeln; solche, die kein Zuhörer aushallen kann, als einer von der Trübsalgilde zu Towerhill oder von ihrer teuern Brüderschaft, den Limehouse-Lümmeln. Ein paar von ihnen hab' ich in limbo patrum, wo sie wohl diese drei Tage durchtanzen könnten, außer dem ambulierenden Bankett zweier Büttel, das ihnen noch bevorsteht.


Der Lord Kämmerer tritt auf.


LORD KÄMMERER.

Gott steh' uns bei, was für ein Schwarm ist dies!

Er wächst stets noch, es drängt von allen Seiten,

Als gäb' es Jahrmarkt! Wo sind hier die Pförtner,

Die faulen Schelme? Schöne Arbeit, he! –

Ein saubrer Haufe hier im Hof! Sind dies

Die werten Freunde von der Vorstadt her?

Gewiß, den Damen bleibt viel Platz noch offen,

Wenn sie vom Taufsaal kommen.

PFORTNER.

Sicht Eu'r Gnaden,

Wir sind nur Menschen: was da möglich war[1004]

Untotgeschlagenerweise, das geschah;

Ein ganzes Heer bezwingt sie nicht.

LORD KÄMMERER.

Beim Himmel,

Wenn mich der König schilt, so sollt ihr all'

Ins Eisen mit den Fersen, unverzüglich,

Und eure Köpfe trifft 'ne runde Buße.

Ihr klappert mit dem Krug, ihr faulen Schelme,

Ob auch der Dienst drum still steht. Hört! Man bläst;

Sie kommen von der Taufe schon zurück.

Geht, brecht mir durchs Gedräng' und macht euch Bahn,

Und Raum dem Zug, sonst such' ich euch sofort

Ein Kloster aus, das euch sechs Wochen herbergt!

PFÖRTNER. Macht Platz für die Prinzessin! –

KNECHT. Ihr großer Kerl, geht auf die Seite, oder ich will Euch Kopfweh machen!

PFÖRTNER. Ihr da, in dem gesteiften Wams, packt Euch aus den Schranken, oder ich werf' Euch über die Pfeiler!


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Berlin: Aufbau, 1975, S. 1002-1005.
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König Heinrich VIII.
König Heinrich VIII. / King Henry VIII.

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