Vierte Szene

[699] Rom. Ein Zimmer in Cäsars Hause.


Es treten auf Octavius Cäsar, Lepidus und Gefolge.


CÄSAR.

Ihr seht nun, Lepidus, und wißt hinfort,

Es ist nicht Cäsars neid'sche Art, zu hassen;

Den großen Mitbewerber. Aus Ägypten;

Schreibt man uns dies: er fischt und trinkt, verschwendet

Der Nächte Kerzen schwelgend, nicht mehr Mann

Als diese Kön'gin, noch Cleopatra

Mehr Weib als er. Kaum sprach er die Gesandten,

Noch dacht' er seiner Mitregenten. – In ihm seht

Den Mann, der alle Fehler in sich faßt,

Die jedermann verlocken.

LEPIDUS.

Doch denk' ich, hegt er

Nicht so viel Sünde, all sein Gut zu schwärzen: –

Denn seine Fehler, wie die Sterne, glänzen

Heller in schwarzer Nacht: sind angestammt

Mehr als erworben: unwillkürlich mehr,

Als freie Wahl.

CÄSAR.

Ihr seid zu duldsam. Sei es auch verzeihlich,

Sich auf des Ptolemäus Lager wälzen,

Mit Kronen zahlen einen Scherz, umtrinken

Zur Wette nach der Kunst mit jedem Sklaven,

Am hellen Tag die Stadt durchtaumeln, balgen

Mit Schuften, schweißbetrieft: das steh' ihm an

(Und dessen Anstand, traun, muß selten sein,

Den solches nicht entehrt): doch für Antonius

Gibt's kein Entschuld'gen seiner Schmach, wenn wir

So schwer an seinem Leichtsinn tragen. Füllt' er

Die leeren Stunden sich mit Wollust aus,

Vertrocknet Mark und Ekel zögen ihn

Zur Rechenschaft: – doch solche Zeit verwüsten,[699]

Die ihn vom Schmerz wegtrommelt – und so laut,

Wie Weltherrschaft nur mahnt: das muß man schelten,

Wie man den Knaben schmält, der, wohlerfahren,

Einsicht der Lust des Augenblicks hinopfert,

Empört dem eignen Urteil.


Ein Bote tritt auf.


LEPIDUS.

Neue Botschaft! –

BOTE.

Erfüllt ist dein Gebot; zu jeder Stunde,

Erhabner Cäsar, sollst du Nachricht hören,

Wie's auswärts steht. Pompejus herrscht zur See,

Und wie es scheint, gewann er sich die Herzen,

Die Cäsarn nur gefürchtet. Zu den Häfen

Strömen die Mißvergnügten; höchst gekränkt

Nennt ihn die Menge.

CÄSAR.

Konnt' ich mir's doch denken! –

Vom ersten Anbeginn lehrt die Geschichte,

Daß, wer hoch steht, ersehnt wird, bis er stand!

Wer strandet – nie zuvor der Liebe wert –,

Teuer erscheint, wenn man ihn mißt: der Haufe,

Gleich einer Flagg' umtreibend in der Strömung,

Schwimmt vor, zurück, die Wechselfluten geißelnd,

Und ihn zerstört die Reibung.

BOTE.

Höre ferner:

Menecrates und Menas, mächtige Piraten,

Herrschen im Meer, und pflügen und verwunden's

Mit Kielen aller Art: manch frecher Einbruch

Verheert Italien: alles Volk der Küste

Erblaßt vor Schreck: die kühne Jugend zürnt,

Kein Segel taucht nur auf, es wird gekapert,

Wie man's erblickt: Pompejus' Name schadet

Mehr als sein Heer im offnen Krieg.

CÄSAR.

Antonius,

Laß deine üpp'gen Becher! Als geschlagen

Du zogst von Mutina, wo du die Konsuln

Hirtius und Pansa erst besiegt, da folgte

Der Hunger deinen Fersen: den bestandst du

(Obgleich so zart gewöhnt) mit mehr Geduld,

Als Wilde selbst vermöchten; ja, du trankst[700]

Den Harn der Rosse und den falben Schlamm,

Der Vieh zum Ekel zwänge: dein Gaum verschmähte

Die herbste Beere nicht auf rauhster Hecke:

Ja, wie der Hirsch, wenn Schnee die Weide deckt,

Nagt'st du der Bäume Rinden: auf den Alpen

(Erzählt man) aßest du so ekles Fleisch,

Daß mancher starb, es nur zu sehn: und alles

(O Schande deinem Ruhm, daß ich's erzähle!)

Trugst du so heldenmütig, daß die Wange

Dir nicht einmal erbleichte.

LEPIDUS.

Schad' um ihn! –

CÄSAR.

Die Schande treib' ihn bald

Nach Rom zurück: Zeit wär's dem Zwillingspaar,

Daß wir im Feld uns zeigten: dem gemäß

Ruf' mir den Rat zusammen, denn Pompejus

Gedeiht durch unser Säumen.

LEPIDUS.

Morgen, Cäsar,

Werd' ich vermögend sein, dir zu berichten,

Was ich zu Meer und Land versammeln kann,

Die Stirn der Zeit zu bieten.

CÄSAR.

Bis dahin

Sei dies auch meine Sorge. Lebe wohl! –

LEPIDUS.

Lebt wohl denn, Cäsar! Meldet man Euch mehr,

Was sich im Ausland regt, ersuch' ich Euch,

Mir's mitzuteilen.

CÄSAR.

Zweifelt nicht daran,

Ich kenn's als meine Pflicht.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 699-701.
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