Elfte Szene

[751] Alexandrien. Ein Zimmer im Palast.


Es treten auf Cleopatra, Enobarbus, Charmion und Iras.


CLEOPATRA.

Was bleibt uns jetzt noch übrig?

ENOBARBUS.

Denken, – sterben.

CLEOPATRA.

Hat dies Antonius, – haben wir's verschuldet?

ENOBARBUS.

Anton allein, der seinen Willen machte

Zum Herrscher der Vernunft. Nun, floht Ihr auch

Des Kriegs furchtbares Antlitz, des Geschwader

Einander schreckten: weshalb folgt' er Euch?

Da durfte seiner Neigung Kitzel nicht

Sein Feldherrntum wegspotten, im Moment,

Da halb die Welt der andern Hälfte trotzte,

Und alles ruht' auf ihm! Das war ein Schimpf,

So groß als sein Verlust, als er Euch nachzog

Und ließ die Flotte gaffend.

CLEOPATRA.

Bitt' dich, schweig'! –

Antonius tritt auf mit Euphronius.


ANTONIUS.

Dies seine Antwort?

EUPHRONIUS.

Ja, mein Herr.

ANTONIUS.

Die Königin

Soll also Gunst erfahren, wenn sie uns

Verraten will?

EUPHRONIUS.

So ist es.

ANTONIUS.

Nun, so sag ihr's!

Schick' dies ergrau'nde Haupt dem Knaben Cäsar,

Dann füllt er dein Begehren bis zum Rand

Mit Fürstentümern.[751]

CLEOPATRA.

Dieses Haupt, mein Feldherr?

ANTONIUS.

Geh wieder hin: Sag ihm, der Jugend Rose

Schmück' ihn, und Großes fordre drum die Welt

Von ihm. – All seine Schätze, Flotten, Heere

Könnt' auch ein Feigling führen, dessen Diener

Auf eines Knaben Wort so leicht wohl siegten,

Als unter Cäsar: drum entbiet' ich ihn,

Sein glänzend Außenwerk beiseit zu tun,

Mit mir Gebeugtem Schwert um Schwert zu fechten,

Er ganz allein. Ich will es schreiben: – Komm!


Antonius und Euphronius ab.


ENOBARBUS.

O ja! Recht glaublich! Cäsar, schlachtenstolz,

Sollte sein Glück vernichten, mit dem Fechter

Den Bühnenkampf versuchen? Ich seh', Verstand

Der Menschen ist ein Teil von ihrem Glück,

Und äußre Dinge ziehn das innre Wesen

Sich nach, daß eines wie das andre krankt. –

Daß er sich's träumen läßt

(Der das Verhältnis kennt), die Fülle Cäsars

Soll seiner Leerheit Rede stehn!

Auch den Verstand hat Cäsar ihm besiegt.


Ein Diener kommt.


DIENER.

Botschaft von Cäsar! –

CLEOPATRA.

Wie? Nicht mehr Gepränge?

Seht, meine Frau'n,

Die zeigen Ekel der verblühten Rose,

Die vor der Knospe knieten. Laßt ihn ein!

ENOBARBUS beiseit.

Die Redlichkeit und ich beginnen Händel:

Die Pflicht, die fest an Toren hält, macht Treue

Zur Torheit selbst: doch wer ausdauern kann,

Standhaft zu folgen dem gefallnen Fürsten,

Besieget den, der seinen Herrn besiegt,

Und erntet einen Platz in der Historie.


Thyreus tritt auf.


CLEOPATRA.

Was sendet Cäsar?

THYREUS.

Hört mich allein![752]

CLEOPATRA.

Hier stehn nur Freunde: Redet!

THYREUS.

Dann sind's vermutlich Freunde Marc Antons?

ENOBARBUS.

Anton bedarf so viel, als Cäsar hat,

Oder bedarf nicht unser. Fordert's Cäsar,

So stürzt mein Herr ihm zu, sein Freund zu sein:

Und wir sind des, dem er gehört, des Cäsar.

THYREUS.

Wohlan: –

Vernimm dann, Hochgerühmte, Cäsar wünscht,

Nicht dein Geschick mögst du so sehr bedenken,

Als daß er Cäsar sei!

CLEOPATRA.

Fahr' fort: recht fürstlich!

THYREUS.

Er weiß, du hast dich dem Anton verbündet,

Aus Neigung minder als gezwungen ...

CLEOPATRA beiseit.

Oh!

THYREUS.

Die Kränkung deiner Ehre drum beklagt er,

Als unfreiwill'ge Schmach, die du erduldet

Und nicht verdient. –

CLEOPATRA.

Er ist ein Gott, und sieht

Die Wahrheit. Meine Ehr' ergab sich nicht,

Nein, ward geraubt.

ENOBARBUS beiseit.

Das recht genau zu wissen,

Frag' ich Anton. Du Armer wardst so leck,

Wir müssen dich versinken lassen, denn

Dein Liebstes wird dir treulos! –


Ab.


THYREUS.

Meld' ich Cäsarn,

Was du von ihm begehrst? Er bittet dringend,

Du mögest fordern, daß er geb'; es freut ihn,

Willst du sein Glück als einen Stab gebrauchen,

Dich drauf zu stützen; doch sein Herz wird glühn,

Erfährt er, daß du Marc Anton verließest,

Und willst dich bergen unter seinem Schirm,

Des großen Weltgebieters.

CLEOPATRA.

Wie dein Name?

THYREUS.

Mein Nam' ist Thyreus.

CLEOPATRA.

Lieber Abgesandter,

Dem großen Cäsar sag, die Hand des Siegers

In diesem Kampfe küss' ich; meine Krone

Leg' ich zu Füßen ihm, und wolle knieend[753]

Von seinem mächt'gen Hauch Ägyptens Schicksal

Vernehmen.

THYREUS.

Diesen edlen Weg verfolge,

Wenn Klugheit mit dem Glück den Kampf beginnt,

Und jene wagt nur alles, was sie kann,

Ist ihr der Sieg gewiß. Laß huldreich mich

Auf deiner Hand der Ehrfurcht Pflicht besiegeln!

CLEOPATRA.

Der Vater Eures Cäsar

Hat oft, wenn er auf Sturz der Kön'ge sann,

Auf den unwürd'gen Fleck den Mund gedrückt

Mit tausend Küssen.


Antonius und Enobarbus kommen zurück.


ANTONIUS.

Ha! Gunstbezeugung! bei dem Zeus, der donnert,

Wer bist du, Mensch?

THYREUS.

Ein Diener dem Gebot

Des allergrößten Manns, des würdigsten,

Sein Wort erfüllt zu sehn.

ENOBARBUS.

Man wird dich peitschen.

ANTONIUS.

Heran, du Geier! Nun, Götter und Teufel,

Mein Ansehn schmilzt! Noch jüngst rief ich nur: »Ho!«

Und Könige rannten, wie zum Raufen Buben,

Und riefen: »Was befehlt Ihr?« Hört ihr's? Noch

Bin ich Anton. – Nehmt mir den Schalk und peitscht ihn!

ENOBARBUS.

Ihr spielt noch sichrer mit des Löwen Jungen,

Als mit dem alten sterbenden.

ANTONIUS.

Mond und Sterne! –

Peitscht ihn! und wären's zwanzig Bundesfürsten,

Die Cäsarn anerkennen; fand' ich sie

Mit ihrer Hand so frech, – wie heißt sie doch,

Seit sie nicht mehr Cleopatra? Geht, peitscht ihn,

Bis er sein Angesicht verzieht, wie Knaben,

Und wimmert laut um Gnade: Führt ihn fort!

THYREUS.

Antonius ...

ANTONIUS.

Schleppt ihn weg; ist er gepeitscht,

Bringt ihn zurück! Der Narr des Cäsar soll

Uns ein Gewerb' an ihn bestellen.


Gefolge mit dem Thyreus ab.[754]


Ihr wart halb welk, eh' ich Euch kannte: Ha! –

Ließ ich mein Kissen ungedrückt in Rom,

Entsagt' ich der Erzeugung echten Stamms

Vom Kleinod aller Frau'n, daß diese hier

Mit Sklaven mich beschimpfe?

CLEOPATRA.

Teurer Herr! ...

ANTONIUS.

Ihr wart von jeher ungetreu und falsch.

Doch wenn wir in der Sünde uns verhärtet,

O Jammer! dann verblenden unsre Augen

Mit eignem Schmutz die Götter; trüben uns

Das klare Urteil, daß wir unsern Irrtum

Anbeten; lachen über uns, wenn wir

Zum Tode hin stolzieren!

CLEOPATRA.

Kam's so weit?

ANTONIUS.

Ich fand Euch, einen kaltgewordnen Bissen

Auf Cäsars Teller, ja ein Überbleibsel

Cnejus Pompejus'; andrer heißer Stunden

Gedenk' ich nicht, die Eure Lust sich auflas

Und nicht der Leumund nennt: denn ganz gewiß,

Wenn Ihr auch ahnen mögt, was Keuschheit sei,

Ihr habt sie nie gekannt! –

CLEOPATRA.

Was soll mir das?

ANTONIUS.

Daß solch ein Sklav', der wohl ein Trinkgeld nimmt

Und spricht: »Gott lohn' Euch!« keck sich wagt an meine

Gespielin, Eure Hand, dies Königssiegel

Und großer Herzen Pfand! O daß ich stände

Auf Basans Hügel, die gehörnte Herde

Zu überbrüllen! Ward ich doch zum Stier:

Dies sanft verkünden, wär' wie ein armer Sünder,

Der mit umstricktem Hals dem Henker dankt,

Daß er' s so rasch gemacht. –


Diener kommen mit Thyreus zurück.


Ward er gepeitscht? –

DIENER.

Recht derb, mein Feldherr.

ANTONIUS.

Schrie er? fleht' um Gnade? –

DIENER.

Er bat um Schonung.

ANTONIUS.

Hast du 'nen Vater noch, der soll's bereun,[755]

Daß du kein Weib geworden. Dir sei Angst,

Cäsarn in seinem Glück zu folgen, seit

Du für dein Folgen wardst gepeitscht: Fortan

Schreck' dich im Fieber jede Damenhand,

Und schüttle dich der Anblick! Geh zum Cäsar,

Erzähl' ihm deinen Willkomm'; sag ihm ja,

Daß er mich zornig macht: er scheint durchaus

Stolz und Verschmähn, nur schauend, was ich bin,

Vergessend, was ich war. Er macht mich zornig;

Und dazu kommt es leicht in dieser Zeit,

Seit gute Sterne, die mich sonst geführt,

Verließen ihre Bahn und ihren Glanz

Zum Pfuhl der Hölle sandten. Steht mein Wort

Und was geschehn Cäsarn nicht an, sag ihm,

Hipparchus, meinen Freigelass'nen, hab' er,

Den soll nach Lust er peitschen, hängen, foltern,

Dann ist er wett mit mir: so zeig' ihm an! –

Nun fort mit deinen Striemen! – Geh! –


Thyreus ab.


CLEOPATRA.

Seid Ihr zu Ende?

ANTONIUS.

Ach! unser ird'scher Mond

Ist nun verfinstert, und das deutet nur

Den Fall des Marc Anton!

CLEOPATRA.

Ich muß schon warten.

ANTONIUS.

Cäsarn zu schmeicheln, konntest du liebäugeln

Dem Sklaven, der den Gurt ihm schnallt?

CLEOPATRA.

Das glaubst du?

ANTONIUS.

Kalt gegen mich?

CLEOPATRA.

Ah, Teurer, ward ich das,

Verhärte Zeus mein kaltes Herz zu Hagel,

Vergift' ihn im Entstehn, und send' auf mich

Die erste Schloße: wie sie trifft mein Haupt,

Schmelze mein Leben hin! Cäsarion töte

Die nächst', und das Gedächtnis meines Schoßes,

Und nach und nach mein ganz Ägypter Volk

Lieg' ohne Grab, wenn der kristallne Regen

Zergeht, bis Nilus' Mücken sie und Fliegen

Als Raub bestatteten![756]

ANTONIUS.

Ich bin befriedigt. –

Cäsar rückt vor auf Alexandrien;

Da will ich ihn erwarten. Unser Landheer

Hielt rühmlich stand; auch die zerstreuten Schiffe

Sind nun vereint und drohn im Meer als Flotte. –

Wo warst du, kühnes Herz? ... Hörst du, Geliebte:

Wenn ich vom Schlachtfeld nochmals wiederkehre,

Den Mund zu küssen, komm' ich ganz in Blut;

Ich und mein Schwert sind Schnitter für die Chronik;

's ist noch nicht aus! –

CLEOPATRA.

Das ist mein wackrer Held! –

ANTONIUS.

Ich will verdoppeln Herz und Mut und Sehnen,

Und wütig fechten. Sonst, als meine Zeit

Noch leicht und hell, erkauft' ein Mann sein Leben

Durch einen Scherz; nun setz' ich ein die Zähne,

Zur Höll' entsendend, was mich aufhält. Kommt,

Noch einmal eine wilde Nacht: ruft mir

All meine ernsten Krieger; füllt die Schalen,

Die Mitternacht noch einmal wegzuspotten! –

CLEOPATRA.

Morgen ist mein Geburtstag:

Ich wollt' ihn still begehn, doch da mein Herr

Antonius wieder ward, bin ich Cleopatra.

ANTONIUS.

So halten wir uns dran.

CLEOPATRA.

Ruft alle tapfern Krieger meines Herrn!

ANTONIUS.

Tut das, ich sprech' sie an. Heut nacht soll Wein

Aus ihren Narben glühn. Kommt, Königin,

Noch frischer Mut! Und kämpf' ich morgen, soll

Der Tod in mich verliebt sein; denn wetteifern

Will ich mit seiner völkermäh'nden Sichel.


Antonius mit Cleopatra und Gefolge ab.


ENOBARBUS.

Den Blitz nun übertrotzt er. Tollkühn sein,

Heißt aus der Furcht geschreckt sein: so gelaunt,

Hackt auf den Strauß die Taub'; und immer seh' ich,

Wie unserm Feldherrn der Verstand entweicht,

Wächst ihm das Herz. Zehrt Mut das Urteil auf,

Frißt er das Schwert, mit dem er kämpft. Ich sinne,

Auf welche Art ich ihn verlassen mag. –


Ab.[757]


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 751-758.
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