Die Gespons Jesu lobet Gott bey dem gesang der vögel

[105] 1.

Offt morgens in der kühle/

Noch vor dem Sonnen-schein/

Wan JESV pfeil ich fühle

Zu scharpff/ vnd hitzig sein/

Mit frewden mich verfüge

Zum grünen wald hinein;

Wolt Gott/ nun dapffer schlüge

Der klang der vögelein.


2.

O vöglein jhr ohn sorgen/

Alß newlich kam hinein/

Ein liedlein must euch borgen;

Wil nun bezahlet sein.

Nun mahnet auff zur stunde

Den besten athem gut;

Nun schöpfft von hertzen grunde/

Vom best-gesiebten blut.


3.

Mit bester stimm laßt klingen/

Den höchst- vnd besten thon:

Durch wolcken soll sichs dringen/

Biß zu dem Gottes thron.

Nun da/ da thuts erklingen/[106]

Nun da/ da recht/ vnd fein:

Ja so/ so musset singen/

Ihr lautbar vögelein.


4.

O Nachtigal du schöne!

Verdienest rechter weiß/

Man dich fürnemblich cröne/

Mit höchstem Ehrenpreiß.

Wie magst es je doch machen

So sauber/ glatt/ vnd rund.

Daß hertzlein dir möcht krachen

Förcht ich/ wans geht zu bund?


5.

Thust wunder/ wunder zwingen

Den athem hundertfalt/

Kein vöglein ist im singen/

So dir die farben halt.

Wan man dich mercket kommen/

Offt zum gemeinen hauff/

Fast alle gleich erstummen/

Die zünglein zäumens auff.


6.

Doch jetzet sie nit schweigen/

Nit feirens dieser frist/

Jetzt alle sie sich zeigen

Weil Gott zu loben ist.

Keins will jetz andern weichen/[107]

Sich brauchens groß/ vnd klein;

Laut spielend gehn durchstreichen

Daß frölich wäldelein.


7.

O süßigkeit der stimmen!

Wie pfeiffens also rein!

Im lufft wie lieblich schwimmen/

Die flügend psälterlein:

Wie zierlich thuts erschallen

Im krauß- vnd holen holtz?

Wil mirs ja bas gefallen

Als alle music stoltz.


8.

Die bäumlein reich von zweigen

Auch sang-weiß sausen gan/

Zum Gotteslob sich neigen/

Vom wind geblasen an.

Die bächlein auch thun rauschen/

Vnd frölich klinglen zu/

Nit bald den thon vertauschen/

Bleibt gleicher klang ohn ruh.


9.

Ey wo nun seind im gleichen/

Wo seind all menschen spiel?

Ach woltens ja nit weichen/

Sich samblen eben viel!

Ach woltens gleicher massen

Bey dieser music seyn/[108]

Sich auch mit hören lassen/

Vnd sämptlich stimmen ein!


10.

O Gott waß frewd im hertzen/

Waß lust ich schöpffen thät?

Wan heut zur Prim/ vnd Tertzen/

Sext/ Non/ vnd Vesper späth

Zu wegen ich könd bringen

Dem lieben Gottes Sohn/

Vor jhm daß möcht erklingen

So starck gemischter thon!


11.

Her/ her/ all jnstrumenten/

So seind in gantzer welt/

All Fugen/ vnd Concenten

So vil die music zehlt:

Her/ her/ all menschen stimmen/

Laßt immer/ immer gan/

Mans nie doch wird erklimmen/

Waß Gott gebühren kan.


12.

Je mehr man jhn erhoben/

Gelobt/ vnd ehret hat/

Je mehr man jhn zuloben

Noch allweg lasset statt.

Drumb spielet/ vnd psalliret/

Was je nur spielen kan.[109]

Springt/ jauchtzet/ jubiliret/

Lust/ frewd jhm stellet an.

Quelle:
Friedrich Spee: Trutznachtigall, Halle a.d.S. 1936, S. 105-110.
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