[141] 1.
Nun lobet Gott von himmel ab
Ihr Gottes edel knaben/
Euch er den Geist vnd wesen gab/
O wol der schönen gaben!
Euch er mit lauter frewden fla i
Mit lüsten thät vmbgeben;
Für frewden groß jhr allesamm
Ohn vnderlaß thut beben.
2.
Auch lobe Gott du gelbe schaar/
Ihr sternen wolgezündet:
Du Sonn/ vnd Mon/ jhr kuglen klar/
Ihr circkel wolgegründet.
Ihr himmel/ weit/ vnd breit erleucht
Ihr tempel wol gezieret/
Rund vber euch mit wasser feucht
Von aussen verglasieret.
[141]
3.
Nun preiset jhn mit klarem schein
Thut jhm der gnaden dancken:
Waß er gebeut muß fertig sein/
Muß ewiglich nit wancken.
Er sprach so gar ein kleines wort
Klein vnder alle massen/
Da spranget jhr auß nichten fort/
Vnd liefft in runden strassen.
4.
Drinn lauffet jhr noch heut zu tag/
Vnd webet vnß die zeiten/
Thut mit geschecktem vnderschlag
Den tag/ vnd nacht bereiten.
Er zeichnet euch die zihl vnd maß/
Er weiset euch mit sinnen;
Da wircket jhr ohn vnderlaß/
Waß Sonn/ vnd Sternen spi en.
5.
Auch lobet Gott von erden auff
Jhr Drachen auß den klufften;
Ihr Walfisch/ tieff auß saltzem sauff;
Wind/ sauß/ vnd brauß in lufften:
Auch hagel weiß/ auch flocken greiß
Von schnee vnd eyß entzogen:
Auch dämpff/ vnd fewr/ blitz ungehewr/
Zusampt dem regen-bogen.
[142]
6.
Auch lobet jhn jhr stoltze berg/
Ihr hoch/ vnd starke risen:
Auch kleine bühlein/ kleine zwerg/
Auch flaches feld/ vnd wisen.
Auch grüne stauden/ bäum/ vnd zweig/
Von früchten tieff gebogen;
Auch Ceder-holtz den wolcken gleich/
In lüfften hoch erzogen.
7.
Ihr thier/ gewürm/ vnd wilde rott/
Mit keiner zahl zu greiffen/
So weit in wälden ohn verbott
Die grüne baan durchstreiffen:
Auch du so schwanckes feder-vieh/
So thust in lüfften schiffen/
Vnd zierlich trillest je/ vnd je
Die zünglein rein geschliffen:
8.
Ihr König/ Fürsten/ Richter groß/
Ihr völcker vngezehlet/
Ihr kleinen auff der Mutter schoß/
Ihr jüngling vnvermählet/
Ihr Töchter auch noch vnversagt/
Noch blos in gülden haaren/
Dan auch jhr alten hoch betagt/
Bewandert weit in jahren.
[143]
9.
Recht preiset jhn mit jubelschall/
Mit händen schlagt zusammen/
Springt auff vnd schreyet vberall/
Erhebet jhn mit nahmen.
Fült an den lufft mit süssem sang/
Mit harpffen/ laut- vnd geigen/
Mit noten kurtz/ vnd noten lang
Thut auff zun wolcken steigen.
10.
Er immerdar hat gütlich than/
Den Schäfflein seiner herden/
Er setzet endlich oben an
Die liebsten sein auff erden.
Drumb lobet jhn mit bestem thon/
Den psalter hoch erhebet:
Sein ist der Scepter/ sein die Cron;
Vor jhm erd/ himmel bebet.
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