Bertran de Born

[174] Droben auf dem schroffen Steine

Raucht in Trümmern Autafort,

Und der Burgherr steht gefesselt[174]

Vor des Königs Zelte dort:

»Kamst du, der mit Schwert und Liedern

Aufruhr trug von Ort zu Ort,

Der die Kinder aufgewiegelt

Gegen ihres Vaters Wort?


Steht vor mir, der sich gerühmet

In vermeßner Prahlerei,

Daß ihm nie mehr als die Hälfte

Seines Geistes nötig sei?

Nun der halbe dich nicht rettet,

Ruf den ganzen doch herbei,

Daß er neu dein Schloß dir baue,

Deine Ketten brech entzwei!«


»Wie du sagst, mein Herr und König!

Steht vor dir Bertran de Born,

Der mit einem Lied entflammte

Perigord und Ventadorn,

Der dem mächtigen Gebieter

Stets im Auge war ein Dorn,

Dem zuliebe Königskinder

Trugen ihres Vaters Zorn.


Deine Tochter saß im Saale,

Festlich, eines Herzogs Braut,

Und da sang vor ihr mein Bote,

Dem ein Lied ich anvertraut,

Sang, was einst ihr Stolz gewesen,

Ihres Dichters Sehnsuchtlaut,

Bis ihr leuchtend Brautgeschmeide

Ganz von Tränen war betaut.


Aus des Ölbaums Schlummerschatten

Fuhr dein bester Sohn empor,

Als mit zorn'gen Schlachtgesängen

Ich bestürmen ließ sein Ohr.

Schnell war ihm das Roß gegürtet,

Und ich trug das Banner vor,

Jenem Todespfeil entgegen,

Der ihn traf vor Montforts Tor.
[175]

Blutend lag er mir im Arme;

Nicht der scharfe, kalte Stahl –

Daß er sterb in deinem Fluche,

Das war seines Sterbens Qual.

Strecken wollt er dir die Rechte

Über Meer, Gebirg und Tal,

Als er deine nicht erreichet,

Drückt' er meine noch einmal.


Da, wie Autafort dort oben,

Ward gebrochen meine Kraft;

Nicht die ganze, nicht die halbe

Blieb mir, Saite nicht noch Schaft.

Leicht hast du den Arm gebunden,

Seit der Geist mir liegt in Haft;

Nur zu einem Trauerliede

Hat er sich noch aufgerafft.«


Und der König senkt die Stirne:

»Meinen Sohn hast du verführt,

Hast der Tochter Herz verzaubert,

Hast auch meines nun gerührt.

Nimm die Hand, du Freund des Toten!

Die verzeihend ihm gebührt.

Weg die Fesseln! Deines Geistes

Hab ich einen Hauch verspürt.«


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 174-176.
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