Heimweh

[415] Über bemooste Steine

Fällt ein rauschender Quell,

Glitzert im Mondenscheine,

Funkelt so silberhell.


Sinnend saß ich daneben,

Sah, wie die Welle schäumt,

Hab vom vergangenen Leben,

Hab von der Zukunft geträumt.


In der Tiefe der Wogen

Sah ich gar mancherlei,

Viele Gestalten zogen

Grüßend an mir vorbei.


Waren die lieben Seelen,

Die mich dereinst erfreut,

Die meinem Herzen fehlen

Hier in der Einsamkeit.


Tausendmal laß dir danken,

Lieblicher Silberbach,

Daß du den Heimwehkranken

Tröstest im Ungemach;


Daß du aus alten Tagen

Freundliches mir erzählt,

Daß ich dir durfte klagen,

Was meinem Herzen fehlt.[415]


Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 1969, S. 415-416.
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