Achtzehendes Exempel.

Einer der seinem Feind bey Leb-Zeiten nicht verzeyhen wollen, holet nach dem Tod den andern zu gleicher Peyn in die Höll ab.

[187] Im Jahr Christi 1570. lebten in einem Closter in Spanien 2. Ordens-Brüder, welche (wer solt es glauben? in grosse Feindschaft miteinander zerfielen, und solche lange Zeit fortsetzten. Die Ursach ist nicht bekannt. Seye es aber geweßt, was es wolle, so hätten sich diese zween gleichwohl ihres Stands erinneren, und nicht so weit verliehren sollen. Allein, wie schluge es letztlich aus? es fiele eben einer aus ihnen mit der Zeit in eine tödtliche Kranckheit. Wie er nun gemerckt, daß es mit seinem Leben geschehen seye, gienge er in sich selbst, und bereuete die bishero geführte Feindschaft. Ehe er sich aber mit den heiligen Sacramenten wollte versehen lassen, verlangte er, daß sein bishero geweßter Feind möchte zu ihm kommen. Nun das geschiehet. Der Todt-Krancke verzeyhet ihm nicht allein alle empfangene Unbilden, sondern thut ihn auch umfangen: zum Zeichen, daß er sich von Hertzen mit ihm versöhne. Allein der andere, der ein trutziger Gesell war, spottete darüber, und sagte zu einem, der hinter ihm stunde: Ja ja, weil er siehet, daß er sterben muß, verzeyhet er mir, sonst wurde er es gewißlich nicht thun. Wie der Krancke diese hönische Red vernommen, stiege sie ihm dergestalten in den Kopf, daß er darüber die gegebene Verzeyhung widerrufte, und diese Wort zusetzte: So? ist es um die Zeit? ey, so will ich dir auch nicht verzeyhen, verlange auch nicht, daß du mir verzeyhest. Dieses war kaum geredt, da verluhre er nicht allein die Sprach, sondern auch den Verstand. Es stunde aber nicht lang an, griffe er in die Züge, und gabe seinen unglückseeligen Geist auf. Wie geht es weiters, der todte Leichnam wird den anderen Tag gleichwohl zur Erden bestattet. Indem aber die Ordens-Geistliche darauf sich in dem Convent versammlet, und das Nacht-Essen einzunehmen zu Tisch gesessen, sihe! da kommt der Verstorbene ohnversehens ins Convent hinein; und zwar mit trutzigem Gesicht, verzauseten Haaren, und feurigen Augen. Und nachdem er sich in die Mitte gestellt, und einen nach dem anderen scharf angesehen, brache er endlich mit entsetzlicher Stimm in diese Wort aus: Weil ich unglückseeliger bey Lebs-Zeiten auf Erden eine unversöhnliche Feindchaft geführt, brinne ich anjetzo nach meinem Ableiben in der Höllen drunten; und werde also brinnen in alle Ewigkeit. Aber auch derjenige, der Ursach daran ist, wird gleichfals über ein kurtzes mit mir brinnen müssen. Alsdann wendete[188] er die Augen auf seinen Feind: und sagte: Stehe vom Tisch auf, du unglückseeliger! es ist genug geessen. Dann wisse, daß der göttliche Richter das Urtheil der ewigen Verdammnuß gleichfalls wider dich ausgesprochen, damit, gleich wie wir einander auf Erden angefeindet, wir solche Feindschaft in der Höll ewig fortführen. Als er dieses geredt, der Bruder aber vor Forcht und Schrecken nicht aufstehen wolte, risse er ihn vom Tisch herfür, zohe ihn in die Mitte des Convents: griffe ihn gantz grimmig an: schluge, stoßte, krätzte, und bisse ihn, wie ein wütiger Hund. Indem sich aber der andere auch wehrte, und mit dem Verstorbenen runge, eröfnete sich unter ihren Füssen die Erden, und verschluckte alle beyde lebendig bis in den Abgrund der Höllen hinunter; also daß von ihnen nichts, als ein unerträglicher Gestanck hinterbliben ist. Als man nachgehends des Verstorbenen Grab visitirt, ist selbiges leer gefunden worden: zu einem handgreiflichen Zeichen, daß Leib und Seel in der Höll beysamen seyen. Francisco Christoval en la Jordana premiere. c. 17. Anno, 1570.


Was für ein entsetzliches Exempel ist dieses! ach! hätten diese zwey unglückseelige gedacht an die Ermahnung des weisen Syrachs, die er thut am 28. Cap. mit diesen Worten: Gedencke an die letzte Ding, und höre auf Feindschaft zu tragen: wie wurden sie gantz anderst geredt; und gethan haben! wann man an den Tod gedenckt, und an das darauf folgende erschröckliche Gericht: ist es möglich, daß man doch nicht verzeyhe? O Blindheit! oder besser zu sagen: O Unsinnigkeit! wann ein Mensch dem andern nicht verzeyhen will; wie darf er hoffen, daß ihm GOtt der unendlich groß ist, verzeyhen werde? man muß also folgen dem Rath oben gedachten Syrachs, welcher also lautet: Vergibe deinem Nächsten, wann er dich beleydiget; so werden dir die Sünden auch nachgelassen, wann du darum bittest.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 187-189.
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