[106] KÖNIG im Selbstgespräch.
Nah ist die Entscheidungsstunde.
Schon im Lande sind die Mädchen.
Meine Wachen sahen sie.
Mit dem Rüstzeug rauher Tugend
Heißt's nun wappnen meine Seele.
Hier Unsterblichkeit – dort Liebe.
Hier die Macht zurückzukehren
Als Prophet zu künft'gem Volke.[106]
Dort ein wonnevolles Schmelzen
Und in liebender Umschlingung
Ein Erzeugen, schöpferisch! –
Woher klingt mir's nur im Ohre
Wie ein großer Sonnenhymnus:
»Wollust ward dem Wurm gegeben
Und der Cherub steht vor Gott?«
Höher scheint des Cherubs Freude.
Doch was weiß ich von der andern,
Die ich, ohne sie zu kennen,
Opfern will für einen Traum?
Mag die Gottheit denn entscheiden!
Mag sie mir ein Zeichen geben,
Jetzt, sogleich, damit ich wisse,
Welchen Weg ich gehen soll.
Anthusa wird sichtbar.
KÖNIG.
Was erblick' ich? – Ha! das Zeichen!
Zu ihr.
Wer bist du, o! glattes, blankes,
Reizvoll zierbegabtes Wesen?
ANTHUSA.
Eine Jungfrau, deren Panzer
Glatt und blank zwar, wie du sagtest,
Doch auch fest und wehrhaft ist.[107]
KÖNIG.
Schönheit, die mit Stolz gegürtet,
Geht einher im höchsten Schmucke.
Doch, du Trotz'ge, dieses wisse,
Daß der Himmel dich mir sendet ...
ANTHUSA kühl.
Keine Botschaft gab er mir.
KÖNIG.
Du bist selbst die gute Botschaft.
ANTHUSA.
Ohne daß ich solches wüßte?
KÖNIG.
Ich erbat ein sichres Zeichen,
Oh ein Weib ich sollte frei'n.
Wie die Augen nun ich hebe,
Stehst du Herrliche vor mir.
ANTHUSA.
Dann bedeut' ich dir: Verzichte.
KÖNIG.
Und warum?
ANTHUSA.
Weil du von allen
Mädchen, die dies Land besuchen,
Auf die Eine mußtest treffen,
Die gelobt hat nie zu frei'n.[108]
KÖNIG sehr betroffen.
Wie? du hättest ...
ANTHUSA für sich.
Mächtig packt's ihn.
Wie im Sturm wird er mich nehmen.
KÖNIG.
Und der Grund, daß du gelobtest? ...
ANTHUSA.
O! der Gründe hundert hab' ich.
Wäre keine Last die Ehe,
Spräche man wohl nicht von »ledig«.
Eheschließung heißt auch Trauung,
Weil es Mut braucht, zu getraun sich,
Solche Torheit zu begehen.
Heirat – guter Rat ist teuer!
Hochzeit – Zeit, die hoch zu stehn kommt!
Ehe – ehe man sie einging,
Ging das Leben eher an.
Wagt die Sprache bittre Witze,
Ist die Sache wohl auch bitter,
Endlich – kurz und gut ich will nicht!
Für sich.
Jetzt bleibt Zwang allein ihm übrig.
KÖNIG resigniert.
Was ich wollte, Mädchen, ward mir.
Anders freilich, als ich meinte.
[109] Schwärmerisch.
»Und der Cherub steht vor Gott!«
ANTHUSA unruhig.
Wie denn nun?
KÖNIG.
Du hast entschieden,
Daß, gleich dir, ich ledig bleibe.
Wisse, daß ich ... doch man stört uns.
Buchempfehlung
»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro