[35] Ein mit Lorbeerbäumen besetzter Vorhof, und in einiger Entfernung ein Theil des königlichen Palasts auf dorischen Säulen ruhend.
HERKULES allein.
Die Sonne neigt sich. Müd' und ruhbedürftig
Betret ich deinen wohl bekannten Vorhof,
Gastfreyes Haus!
Gesegnet sey mir, holder Sitz der Unschuld,
Der Zärtlichkeit, des stillen Glücks!
Sey mir gesegnet, frohes Thal,
Wo einst der Gott des Lichts
In Schäfertracht Admetens Heerden führte,
Und seines Götterstands entsetzt[35]
Die angenommne Menschheit zierte!
Beglücktes Land, – o! möcht' Alkmenens Sohn,
Wenn er, von Ruhm und Siegen müde,
Einst auszuruhn verdient, des Lebens Rest
In deinen Schatten sanft verfließen sehen!
O du, für die ich weicher Ruh
Und Amors süssem Scherz entsage,
Du, deren Namen ich an meiner Stirne trage,
Für die ich alles thu,
Für die ich alles wage,
O Tugend! Einen Wunsch, nur Einen Wunsch gewähre
Dem der sich dir ergab! Wenn einst die Bahn der Ehre
Durchlaufen ist, wenn er sich sehnt nach Ruh,[36]
So schließe hier am Abend seiner Tage
Die Freundschaft ihm die Augen zu.
Doch, was bedeutet diese tiefe
Unzeit'ge Stille? Keine Lieder hallen
Den Säulengang herauf?
Verlassen, öde, wie die Trümmern einer
Zerstörten Stadt, ist dein Palast, Admet?
Verlassen von den Göttern
Der Freude, deren Sitz er war!
Was für ein Unfall – Wie? Mir däucht ich hörte
Ein Klaggeschrey aus jener Halle tönen.
Ein Bedienter kommt aus dem Hause hervor, und eilt, da er den Herkules erblickt, mit einer Gebehrde der Bestürzung zurücke.
O sage, Freund, – Er flieht mich! – Trübsinn hängt
Um seine Stirne! – Ganz gewiß, ein Unglück traf[37]
Admetens Haus! – O wende, Vater Zevs,
Die Vorbedeutung ab! – Doch, was es fey,
Ich muß es wissen! Rastlos treibt mich zwar
Der unversöhnbarn Juno Groll
Ein Abentheuer nach dem andern auszuführen:
Allein hier ruft die Freundschaft mir! Ihr Ruf
Geht allem andern vor –
Parthenia. Herkules.
PARTHENIA.
Alkmenens Sohn? – Willkommen, o Befreyer
Von Gräcien, willkommen, Herkules,
Dem Haus Admets!
HERKULES.
Wo ist er, wo? Was hält
Von seines Freundes Armen ihn zurück?[38]
PARTHENIA.
Du weißt es nicht?
HERKULES.
Kaum bin ich angekommen.
Noch sah ich niemand; Nur ein Klageton
Schien aus dem innern Hause mir entgegen
Zu dringen – Reisse mich aus diesem Zweifel!
Er lebt doch wohl?
PARTHENIA.
Er lebt.
HERKULES.
Er lebt – und trüber Gram umwölkt dein Auge,
Princessin? Traurig sagst du mir, er lebt?
PARTHENIA.
Vor wenig Stunden schwebte noch sein Geist
Im Thor des Tartarus.[39]
HERKULES.
Was sagst du?
PARTHENIA.
Durch ein Wunder ist
Er wieder uns geschenkt.
HERKULES.
Dank hab' Apollo! Ohne Zweifel war's
Sein Werk – Und deine schöne Schwester,
Alceste –
PARTHENIA.
Welchen Nahmen nanntest du.
Unglücklicher!
HERKULES.
Du schreckst mich! Wie? Alceste –
PARTHENIA.
– Hat gelebt.[40]
HERKULES.
Beklagenswerther Freund! Was thatest du
Den Göttern? Welch ein Wechsel!
PARTHENIA.
Ach! wüßtest du erst alles, Herkules!
HERKULES.
Was kann ich argers wissen?
PARTHENIA.
Freywillig gab die treue Gattinn sich
Für ihn dahin, Er lebt durch ihr Erblassen.
HERKULES.
Der feige Mann! Konnt er so niedrig seyn
Um diesen Preis sein Leben anzunehmen?
PARTHENIA.
Ach! Da sie sich an seiner statt den Parzen[41]
Zum Opfer anbot, rang er mit dem Tode.
Er wußt es nicht.
HERKULES.
O Beyspiel ohne Gleiches!
Und du, Apollo, liessest es geschehn?
Du, der in diesem menschenfreundlichen
Wohlthät'gen Haus vor meines Vaters Zorn
Einst eine Freystatt fand? – Undankbarer!
PARTHENIA.
Er that was möglich war;
Doch gänzlich liessen sich die Parzen nicht erbitten.
Von beyden eines mußt' erblassen!
Dies war die Antwort, die der Gott uns sandte.
Kaum hörte sie den Götterspruch,
So war ihr Schluß gefaßt,
Und unbeweglich blieb die Heldinn unserm Flehn.[42]
HERKULES.
Und soviel Tugend sollt ein Aschenkrug
Verschliessen? – Nein! So wahr ich Sohn
Des Donnergottes bin, es soll nicht seyn!
Princessinn, kann ich nicht Admeten sehn?
PARTHENIA.
Was wird dein Anblick ihm in diesem Jammer helfen?
HERKULES.
Ich muß ihn sehn.
PARTHENIA.
Ach! Ist er fähig dich zu sehen?
Er haßt den Tag, er haßt die Gegenwart
Der Menschen die er liebte, haßt
Sein eignes Daseyn, fleht den Tod
Um Mitleid an.
[43]
Er flucht dem Tageslicht
In seinem Schmerz;
Sein bloßer Anblick bricht
Ein fühlend Herz;
Ihm Trost zu geben, fänd'
Ein Gott zu schwer!
Er hört mit taubem Ohr
Der Freundschaft Stimme;
Starrt zum Olymp empor
In stummem Grimme;
Kennt sinnlos weder Furcht
Noch Hoffnung mehr!
Er flucht dem Tageslicht
In seinem Schmerz;
Sein bloßer Anblick bricht
Ein fühlend Herz;
Ihm Trost zu geben, fänd'
Ein Gott zu schwer!
[44]
O Herkules! Was bleibt der Freundschaft übrig
Für ihn zu thun? – Er ist –
HERKULES.
Er ist mein Freund!
Nie war er meiner Hülfe mehr benöthigt.
O laß mich –
PARTHENIA.
Wohl! versuch es, Göttersohn!
Vielleicht erweckt der Anblick eines Helden
Sein schon erstorbnes Herz. Ich geh
Ihm deine Ankunft anzusagen.
Sie geht ab.
HERKULES allein.
Es ist beschlossen!
Durch nie erhörte, durch den Erdensöhnen
Versagte Thaten soll, o Vater Zevs,
Dein Sohn den Weg sich zum Olympus öffnen![45]
Herab zum Orkus steig' ich, zwing ihn, mir Alcesten
Zurückzugeben, – oder unterliege
Der großen That!
Er geht in den Palast hinein.
Der Schauplatz' verwandelt sich in einen Saal des Palasts.
Admet in einem Lehnstuhl, mit dem Arme auf einen kleinen Tisch gestützt, auf welchem ein Aschenkrug steht. Herkules nähert sich ihm langsam und schweigend, mit dem Ausdruck der mitleidenden Freundschaft in seinen Blicken. Admet sieht ihn mit starren Augen an.
HERKULES.
Wie? kennst du deinen Freund nicht mehr?
ADMET.
O Ja, ich kenne dich! – Du bist – der Sohn
Von einem Gotte der mich elend macht.[46]
HERKULES.
Admet, ich bin dein Freund, wiewohl du selbst
Kein Mann mehr bist. Ich kann nicht mit dir weinen,
Nicht jammern wie ein Weib, – doch helfen will ich dir.
ADMET.
Mir helfen?
HERKULES.
Ja, dir helfen oder im Versuch
Mein Leben lassen.
ADMET.
Dies kannst du; helfen kann kein Gott mir!
HERKULES.
Fasse,[47]
Ermanne dich, Admet; noch ist nicht alles
Verlohren –
ADMET.
Nicht alles? Ist Alceste nicht verlohren?
Sieh her! Da, siehst du diesen Aschenkrug?
Bald wird er Alles, Alles was von ihr
Mir übrig ist, verschlingen!
HERKULES.
Hoffe besser, Freund!
ADMET.
Ich, hoffen? Rasest du?
Kannst du den Orkus zwingen, seine Beute
Zurückzugeben? – Hör' es, wenn du es
Noch nicht gehört! Todt ist sie, todt! erkaltet, athemlos,
Todt, sag ich dir! – Ich habe nichts zu hoffen![48]
HERKULES.
Dein Zustand jammert mich, Admet.
Ich fühle deinen Schmerz. Doch zur Verzweiflung sinkt
Die Tugend nicht herab! – Wie? war Admet
Nicht immer ein Verehrer
Der Götter? – Wo ist sein Vertraun
Auf ihre Macht!
ADMET.
Ach, Freund! Sie haben mich verworfen!
Sie hörten nicht mein Flehn!
HERKULES.
Der Ausgang soll mit ihnen dich versöhnen,
Kleinmüthiger! – Ich gehe – Herkules,
(Du kennest ihn) ist nicht gewohnt durch Worte
Zu reden. Lebe wohl! Bald sehen wir uns wieder![49]
ADMET.
Was willst, was kannst du thun?
HERKULES.
Freund, zweifle nicht!
Was Herkules verspricht
Das wird er halten!
Ruf deinen Muth zurück!
Die Götter walten!
Ihr Beyfall ist der Tugend Sold,
Sie sind den Frommen hold,
Und werden dein Geschick
Bald umgestalten!
Freund, zweifle nicht!
Was Herkules verspricht
Das wird er halten!
Ende des dritten Aufzugs.
[50]
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