Liebchen Gold

[63] »Möchte doch lieber Zigeuner sein,

Als Mammonbeschnüffler im güldenen Schrein.«

(Detlev von Liliencron.)


In kalter Kammer, matt erhellt,

Auf elend knochigem Polster lieg ich,

Die Füße frostig, den Magen vergällt,

Und starre zur mürrischen Decke empor ...

Geld!

Rundes blondes Liebchen Gold,

Sei dem Schmachtenden hold!

Laß dein Stimmchen mir erklingen

Süß und fein

Wie Kristallglas,

Gefüllt mit gelbem Wein!

Deinen schlangenglatten kühlen Leib

Möcht ich streicheln;

Das soll der fieberigen Seele

Wie Quellenkühlung schmeicheln.

Ginge doch die grämliche Thüre auf,

Und mein Goldchen wäre da,

Und Goldchen sagte: »Ja,

Dein bin ich, dein!

Und heute soll die Hochzeit sein.«
[64]

Wie wollt ich springen kummerfrei!

Freunde, Freunde, hurtig herbei!

Wein her, köstliche Schüsseln her!

Laßt uns schlürfen mit Lippen und Augen,

Wonnevoll, wie durstige Wurzeln

Üppige Regenfluten saugen!

Laßt uns taumeln die Nacht entlang

Mit Gesang und Gläserklang:

»Liebchen Gold soll leben!«


Erwach' ich dann im Bette,

Und hellt ein Schimmer

Den rauschgetrübten Kopf, –

Wo bleibt Frau Sorge,

Die gestern noch im Junggesellenzimmer

Hüstelnd schlich?

Ausgehüstelt hat Fau Sorge!

Liebchen Gold

Ist mir hold!

Auf, glückseliges Gemüt!

Neue Freuden sind erblüht.

Auf zur Hochzeitsreise! –


Am Wagenfenster vorbei

Kommen Felder geflogen,

Fächerhaft ausgespreizt,

Wiesen und Hecken und Dörfer;

Blaudämmernde Hügel wogen;

Wald und Fluß rauscht vorbei.
[65]

Mit uns eilt die stralende Sonne

Und des Himmels blauende Wonne.

Da ... in Bergesschacht

Rollen wir dumpf donnernd;

Der Tag erlischt; lang herrscht die Nacht;

Und Haupt und Augenlider

Sinken schläfrig nieder ...


Neu zum Licht erwacht,

Schau' ich staunend ein Alpenthal,

Felsen und Tannen;

Droben glüht ein Schneeberg-Greis

Im Abendstral

Trunken vor Lust;

Schäumend stürzt der Gießbach

Von seiner Felsenbrust.

Hier will ich atmen, trinken

Rauhe Lust,

Bis der Schnee

Stürmisch wirbelnd flockt,

Und mich weiche Sehnsucht

Nach Italien lockt;

Finsternis und Frost, ade! ...


O weh!

In kalter trüber Kammer,

Auf elend knochigem Polster ...

Rauchige Decke, grämliche Thüre...

Verhauchter Traum, ade!
[66]

Grausam sprödes Lieb!

Ich härme meine Wangen hohl,

Zergrüble mir

Die Stirne weh nach dir;

Möchte gehn zu Waldesgründen

Und die Wünschelrute finden;

Die soll erspüren

Gitter und Mauern,

Wo Goldchen sich verbirgt;

Da will ich nächtlich lauern,

Liebchen zu entführen.


Doch sieh! Bei Liebchens Gitterfenster

Steht schon ein Mensch und harrt.

Das ist – ich bin erstaunt, erstarrt –

Mein Freund! Du hier?

Vor meines Liebchens Thür? –

Da droht sein Aug' und rollt:

»O nein! Mein ist das Gold!«

Und blitzt wie Messerstich nach mir ...

Ach! Freundesmord! –

Und schmerzgeschnitten wank' ich fort.


Ich blute ... Tückische Dirne Gold!

Du aber wirst mit Gier genossen

Vom grauen Geizhals droben hinterm Gitter;

Und morgen fährst du in Karossen

Mit Gecken und Schurken, stellst dich feil

Im Börsensaale, wo Gefeilsche gellt,[67]

Machst tausend Händlergesichter geil...

Metze der Welt! –


Elend will ich auf dem hagern

Polster lagern

Im kalten Dunkelkämmerlein;

Träumen von einer Blume,

Weiß und rein ...

Quelle:
Bruno Wille: Einsiedler und Genosse. Berlin 1894, S. 63-68.
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